Frau Tausendfuß heut Wäsche hat
Frau Tausendfuß heut Wäsche hat,
Das sind grad tausend Socken.
Auf einem Ebereschenblatt
Bläst sie ein Windchen trocken.
Tausend Socken sind recht viel.
Tausend Socken sind kein Spiel.
Alle sagen: Tausend Gruß,
So fleißig heut, Frau Tausendfuß?
Ein Spinnenweb als Wäschellein´,
Kiefernnadeln als Klammern,
Als Sack ein Hirschtäschelein,
Zwei hohle Nüss als Kammern.
Tausend Socken, ei der Daus,
Tausend Socken, das reicht aus.
Alle sagen: Tausend Gruß,
So fleißig heut, Frau Tausendfuß.
Peter Hacks
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Ich träume mir ein Land
Ich träume mir ein Land,
da wachsen tausend Bäume,
da gibt es Blumen, Wiesen, Sand
und keine engen Räume.
Und Nachbarn gibt’s, die freundlich sind,
und alle haben Kinder,
genauso wild wie du und ich,
nicht mehr und auch nicht minder.
Ich träume mir ein Land,
da wachsen tausend Hecken,
da gibt es Felsen, Büsche, Strand
und kleine, dunkle Ecken.
Und Nachbarn gibt’s, die lustig sind,
und alle feiern Feste,
genauso schön wie deins und meins,
und keines ist das beste.
Ich träume mir ein Land,
da wachsen tausend Bilder,
da gibt es Rot und Grün und Rand
und viele bunte Schilder.
Und Nachbarn gibt’s, die langsam sind,
und alles dauert lange,
genauso wie bei dir und mir,
und keinem wird dort bange.
Erika Krause-Gebauer
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Zappelzeh und Zwidermann
Die Zauberin Frau Zappelzeh,
die ißt nur frischgefallnen Schnee,
fährt Windrad und spielt Wasserwerkel
und fliegt auf einem Rosenferkel.
Ihr Nachbar, der Herr Zwidermann,
der gar kein bißchen zaubern kann,
besteigt mit würdevoller Miene
mißmutig seine Limousine.
Er fährt sein Radio spazieren,
mag nicht mit Wasser musizieren
und strampelt sich nicht ab mit Winden,
kann auch am Schnee nichts Gutes finden,
der ist ihm viel zu kalt geraten
und Ferkel liebt er nur gebraten.
Christine Busta
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Ich weiß einen Stern
Ich weiß einen Stern
gar wundersam,
darauf man lachen
und weinen kann.
Mit Städten, voll
von tausend Dingen.
Mit Wäldern, darin
die Vögel singen.
Ich weiß einen Stern,
darauf Blumen blühn,
drauf herrliche Schiffe
durch Meere ziehn.
Er trägt uns, er nährt uns,
wir haben ihn gern:
Erde, so heißt
unser lieber Stern.
Josef Guggenmos
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Abends an der Wiege
Sieh, jetzt ziehen alle fort,
Has und Schwan und Fisch.
Puppe kommt zu ihrem Ort
mitten auf den Tisch,
und die Herrin von den Siebendingen
wollen wir geschwind zum Sandmann bringen.
Sandmann, unser Kindlein schreit,
Sandmann, komm herbei.
Sag ihm, dass jetzt Schlafenszeit
für die Kinder sei,
sag ihm, dass sogar die braunen Schnecken
sich in ihrem Schneckenhaus verstecken.
Dass die Sonne unterging
und schon schlafen tut,
dass der kleine Schmetterling
in der Blume ruht -
Frag, ob´s Kindlein denn allein von allen
wachen will und runde Fäuste ballen?
Und der gute Sandmann kommt
über Feld und Wald,
was dem Kindlein fehlt und frommt,
weiß der Sandmann bald:
dass ins Aug ein Schlummerkörnlein sinke,
eins ins rechte..eins ins linke..
Albrecht Goes
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Der Kobold
Das Haus hab ich erbaut
Vom Keller bis zum Dach.
Wer hat den Kobold eingesetzt,
Der unter der Treppe wohnt?
Er trinkt von meinem Wein,
Er nagt am Schinkenbein,
Er steckt sich Zucker in den Sack,
Er schmaust von meinem Rauchtabak,
Macht allen Vorrat klein.
Wo nur die Tinte bleibt?
Des Nachts, wenn keiner wach,
Da geht er an mein Markenfach.
Weiß niemand, wem er schreibt.
Was tut er zum Vergelt?
Er geigt um Mitternacht.
Er gibt auf meine Kinder acht,
dass keins die Treppe fällt.
Was tut er noch zum Dank?
Er putzt das Mondhorn blank.
Damit es silberrein
In meine Fenster schein.
Werner Bergengruen
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Im gleichen Moment
Jetzt, wo du lachst,
mag ein Eskimo weinen.
Siehst du ihn nicht, diesen Kleinen?
Wie er dasteht im Schnee?
Irgendwas tut ihm weh.
Und, wenn du weinst,
mag ein Eskimo lachen.
Tja, sagst du, kann man nichts machen!
Ich bin hier, der ist da.
Komisch ist das, na ja!
Einmal vielleicht
weint ihr beide gemeinsam.
Jeder für sich, jeder einsam.
Weint im gleichen Moment.
Dumm, dass ihr euch nicht kennt.
Gina Ruck-Pauquet
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Wir beide
Der Abend weht Sehnen aus Blütensüße,
Und auf den Bergen brennt wie Silberdiamant der Reif,
Und Engelköpfchen gucken überm Himmelstreif,
Und wir beide sind im Paradiese.
Und nun gehört das ganze bunte Leben,
Das blaue große Bilderbuch mit Sternen!
Mit Wolkentieren, die sich jagen in den Fernen
Und hei! Die Kreiselwinde, die uns drehn und heben!
Der liebe Gott träumt seinen Kindertraum
Vom Paradies – von seinen zwei Gespielen,
Und große Blumen sehn uns an von Dornenstielen
Die düstre Erde hing noch grün am Baum.
Elke Lasker-Schüler
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Für Christine
Du legst in meine Hand dein winziges Gesicht.
Warm, blass und jung.
Und deine Augen, die noch alles anschaun müssen,
weil sie von allem viel zu wenig wissen,
und dein vertrauensvoller kleiner Mund,
noch unversehrt von Bitternis und Küssen,
sind jetzt so still,
dass mich ein Schreck durchsticht.
Du legst in meine Hand dein winziges Gesicht.
Du schaust mich an.
Nein, so erwachsen bin ich nicht,
dass ich dir darauf Antwort geben kann,
wann unsre Welt so warm wie unsre Hände ist.
Heinz Kahlau
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Die Mutter spricht zu ihrem Kind
Du bist Wesen, ich bin Raum,
Du die Frucht und ich der Baum.
Kind, in deine ersten Lüste
Senk ich meine braunen Brüste
Und mein Bild in deinen ersten Traum.
Du wirst jung, ich werde alt,
Vogel du mir, ich dein Wald;
Liebe Stimme, singe, singe,
Echo bin ich, und ich klinge
Heute noch – wer weiß, ich schweige bald.
Du wirst groß, ich werde klein,
Große Träume warten dein -
Doch für deine neuen Lüste
Suchst du nicht der Mutter Brüste,
In der Kammer schlaf ich dann allein,
Dunkel wird der Wald und stille sein.
Albrecht Goes
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Kinderzeichnung
Du hattest ein viereck gemalt,
darüber ein dreieck,
darauf (an die Seite) zwei striche mit rauch -
fertig war
DAS HAUS
Man glaubt gar nicht,
was man alles
nicht braucht
Reiner Kunze
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Mir war, als hört ich es an der Tür pochen,
Und fuhr empor, als wärst du wieder da
Und sprächest wieder, wie du oft gesprochen,
Mit Schmeichelton: Darf ich hinein, Papa?
Und da ich abends ging im steilen Strand,
Fühlt ich dein Händchen warm in meiner Hand.
Und wo die Flut Gestein herangewälzt,
Sagt ich ganz laut: Gib acht, dass du nicht fällst!
Paul Heyse
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Die Mutter bei der Wiege
Schlaf, süßer Knabe, süß und mild,
Du deines Vaters Ebenbild!
Das bist du; zwar dein Vater spricht,
Du habest seine Nase nicht.
Nur eben itzo war er hier
Und sah dir ins Gesicht,
Und sprach: Viel hat er zwar von mir,
Doch meine Nase nicht.
Mich dünkt es selbst, sie ist zu klein,
Doch muß es seine Nase sein;
Denn wenn's nicht seine Nase wär,
Wo hätt'st du denn die Nase her?
Schlaf, Knabe, was dein Vater spricht,
Spricht er wohl nur im Scherz;
Hab immer seine Nase nicht,
Und habe nur sein Herz!
Matthias Claudius
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Rabenschnabelschnupfen
Die Raben haben Schnabelschnupfen
Und scheinen gar nicht wohl zu sein.
In Tücher mit und ohne Tupfen
Verpacken sie sich sorgsam ein.
Die Sache ist durchaus bedenklich,
Wie man hier leider, leider sieht.
Und auch die Kinder scheinen kränklich
Und von erkältetem Gemüt.
Oh, schont euch, hütet euch zu hupfen
Und bleibt im Neste weich gewiegt,
Dass ihr zum Rabenschnabelschnupfen
Nicht auch das Krallenrheuma kriegt!
Manfred Kyber
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Gerüchte
Rasch,
ich sag dir was ins Ohr;
und das kommt
dir komisch vor.
Also hör' mal,
weißt du schon,
dass Herr Tante
und Frau Sohn
gestern Abend
früh um acht
nichts gemacht?
Vorher sind sie außerdem
nachher, währenddessen dem
niemals nirgendwo gewesen.
Kannst es lesen!
Denn die Zeitung
war dabei,
übermorgen um halb drei.
Auch Herr Tante
und Frau Sohn
wissen's noch nicht,
sondern schon!
Max Kruse
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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