Wir suchen (die falschen) Schuldigen, keine Lösungen
geschrieben am 20. Januar 2016 von Joerg Wellbrock (Tom W. Wolf)
Kommentar
Normal ist das nicht. Nur einfacher. Wir sehen die Probleme, aber wir suchen nicht nach Lösungen. Wir wissen irgendwie schon, dass Menschen auf der Flucht das nicht in der Absicht tun, andere Länder zu überfallen. Weil sie gar nicht in der Stimmung dazu sind. Wer nur noch die Klamotten am Leib trägt, ist nicht in Überfallstimmung. Das wissen wir im Grunde. Aber wir sehen nicht, wie es dazu kommen konnte, es wird uns auch gern vorenthalten, dass wir diejenigen sind, die andere überfallen. Täglich. Mir gravierenden und tödlichen Auswirkungen.
Also stürzen wir uns auf vermeintlich Schuldige. Kommen zum Schluss, dass alles nicht so schlimm sein kann, solange ein Mensch auf der Flucht ein Handy hat. Oder sich „erlauben“ kann, seine Familie vorerst zurück zu lassen. Die Gründe für die Flucht von Menschen … na ja, die wollen halt zu uns, weil es hier zu geil ist. Fernseher, Handys eben, blonde Frauen, die man einfach vögeln kann, in der Silvesternacht, und überhaupt, auch wenn nicht Silvester ist, das geht hier alles. Nebenbei, ohne Pass, eine Weile warten, dann coole Jobs annehmen, Kohle scheffeln und ab nach Hause, um in Saus und Braus zu leben. Deutsche Sprache oder Kultur? Drauf geschissen. So sind sie, die Flüchtlinge!
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Das mit der Suche nach den falschen Schuldigen scheint ein Automatismus zu sein, dem sich viele nicht entziehen können oder wollen. Die noch kleiner machen, die sich nicht wehren können, dass man sich selber größer fühlt. Ein Heilmittel dagegen ist nicht in Sicht.
Schenke der Welt mein Lächeln,
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'???? ???????' (Erkenne dich selbst!) stand über dem Portal des Apollotempels in Delphi und wird u.a. Sokrates zugeschrieben.
Leider gingen die danach folgenden Hinweise verloren: "Das macht keinen Spass. Das macht nicht beliebt. Das macht nur viel Arbeit mit ungewissem Ausgang."
Soll sich aber dennoch lohnen, denn wer seinen miesen Charakter halbwegs durchschaut, erkennt sich problemlos auch im Nächsten. Na, gut! Nicht ganz so problemlos.
Ich weiß, dass ich nicht weiß soll auch von Sokrates stammen, doch Platon und Cicero meinten Vergleichbares. Und ich erst!
Und also eine Geschichte dazu, aber vielleicht hat sie gar nichts mit dem Eingangstext zu tun, wer weiß:
„Hum.“ Opa Pscht kratze sich hingebungsvoll am Bart. Dieser gab knisternde Geräusche von sich, was sehr erstaunlich war, da Opa gar keinen Bart trug. „Hum, huum, huuum. (Kratz, Knister) Ist diese Ungewissheit eine allgemeine, oder eine spezielle?“
„Ja-ha,“ Alice verifizierte ihre Frage „Woher weiß man, dass man über irgend etwas wirklich Bescheid weiß?“
„Das kann man nie wissen“
„Was kann man nie wissen?“
„Nichts. Ich meine… Man kann ganz allgemein nie wissen.“
„Manchmal weiß ich Bescheid“, sagte Alice. „Ich glaube, ich weiß inzwischen eine ganze Menge über Dinge, von denen ich früher nichts wusste. Gelegentlich finde ich es sogar richtig erstaunlich, was ich alles so weiß. Und dann frage ich mich, was ich in Zukunft noch wissen werde.“
„Tja, das kann man nie wissen.“
„Ja, das stimmt.“
„Jetzt weißt du Bescheid?“
„Weiß ich nicht.“
„Sokrates ist zu ähnlichen Ergebnissen gelangt. Er drückte sich nur etwas unverständlicher aus: '???? ??? ?????'.“
„Woher weißt du das?“
„Weiß ich nicht.“
„Ich sehe aber genau, dass du ein dickes Buch auf den Knien unterm Tisch aufgeschlagen hältst.“
„Woher weißt du das?“
„Das sehe ich doch.“
„Du glaubst, etwas zu sehen und zu wissen.“ Opa hob ein gelbes Telefonbuch hoch und zeigte es Alice. „Siehste?“
„Oh, wie peinlich.“ Alice gehörte zu den seltenen Exemplaren Mensch, die noch rot werden können. Das machte es ihr besonders peinlich, wenn ihr etwas peinlich war.
„Tja, man kann nie wissen.“
Opa entfernte den gelben Einband. Darunter kam ein brauner Umschlag hervor. Opa hielt Alice den Titel entgegen: „Philosophie. Grundkurs für die 2. Klasse“
„Ich wusste es doch.“ Alice bekam wieder eine halbwegs normale Gesichtsfarbe. „Aber nun muss ich noch Humpty-Dumpty füttern. Ist gestern aus dem Krankenhaus entlassen worden. Ich versuche ja immer, ihn von sämtlichen Mauern fern zu halten, aber … Mal sehen, wann er wieder…“
Alice hüpfte erleichtert zur Tür hinaus und Opa öffnete das Buch. Dann kratzte er sich am Bart und murmelte: „Hum, huum, humm. (Kratz, knister) Das nackte Mädchen auf Seite 15 ist aber wirklich eine Hübsche.“
Tja, man kann nie wissen, wisst Ihr?
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