Die Tragödie seines Lebens
Die Mondlandung und die erste Liebe: Ulrich Woelks grandios gebauter Roman „Der Sommer meiner Mutter“.
Ein Roman für diesen Sommer, den 50. nach der Apollo-11-Mission, stammt von Ulrich Woelk. Er macht die Vergangenheit sinnlich wie eine Zeitreisemaschine, was dem jugendlichen Erzähler sehr gefallen hätte. Es erklingen die Musik der Doors und das angenehme Knockgeräusch beim Krocketspiel, es fühlt sich nach Sommerferien an, zu sehen ist das Wunder eines Farbfernsehgeräts (bereits mit zehn Stationstasten, obwohl es nur drei Programme gibt, „ich kam mir vor wie in der Zukunft“), und es schmeckt nach dem ersten griechischen Essen für eine deutsche Kleinfamilie, die das exotisch und abwegig findet, aber gerne probiert.
Die Dinge sind 1969 längst in Bewegung gekommen, aber am Rand von Köln hat das bisher mancher nicht mitbekommen. Schon gar nicht der elfjährige Tobias, der nun aber wie im schönsten Kinderbuch neue, interessante – bunter angezogene, politisch engagiertere – Nachbarn bekommt. Die Eltern finden sie sympathisch. Auch am Rand von Köln ist man nicht von gestern. Es wäre wirklich schön und sogar ein wenig arglos, wenn Woelk seinen Roman nicht mit diesem ungeheuerlichen Satz beginnen lassen würde: „Im Sommer 1969, ein paar Wochen nach der ersten bemannten Mondlandung, nahm sich meine Mutter das Leben.“
Was folgt, ist dramaturgisch ein Bravourstück. Trotz dieses Hinweises nämlich, der modisch gesehen ein Spoiler ist, aber lediglich belegt, dass eine wirklich gute Geschichte mit allen Tricks arbeitet, bleibt die sich anbahnende Tragödie lange Zeit im Schatten der sonstigen Ereignisse. Die sonstigen Ereignisse interessieren Tobias über alle Maßen: Die bevorstehende Mondlandung, auf die er sich mit seinem ebenfalls technikbegeisterten Vater sorgfältig gut vorbereitet hat. Und Rosa. Rosa ist die Tochter der neuen Nachbarn, wenige Jahre älter als er, aber dazwischen liegt eine Welt. Tobias lernt gewissermaßen die Liebe kennen. Anders als von der Mondlandung hat er davon keinen Schimmer. Die Mondlandung im Fernsehen und das kluge, informierte Mädchen in seinem Kinderzimmer fordern eine hohe Aufmerksamkeit, Rosa noch etwas mehr. „Vielleicht waren Mädchen besonders empfindlich oder hörten aufmerksamer zu.“
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