"Kein Land zahlt derart hohe Kohle-Entschädigungen"
Mit mehr als vier Milliarden Euro soll den Kraftwerksbetreibern der Abschied von der Kohle "erleichtert" werden. Hermann Ott von der Umweltrechtsorganisation Client Earth hält die Entschädigungen an die Kohlekonzerne für das Abschalten der Anlagen für weit überhöht – und rechnet damit, dass sie zurückgezahlt werden müssen.
Klimareporter°: Herr Ott, die Kohleverstromer sollen eine Entschädigung von 4,35 Milliarden Euro vom Staat erhalten, weil sie ihre Kraftwerke stilllegen sollen. Das sieht die jetzt getroffene Einigung von Bund und Ländern zum Kohleausstieg vor. Ist das angemessen?
Hermann Ott: Die EU-Kommission wird eine sehr sorgfältige Prüfung einleiten, ob diese Zahlungen mit den europäischen Beihilfevorschriften im Einklang sind – es ist also noch nichts wirklich entschieden. In einem ersten Schritt wird untersucht werden, ob diese Zahlungen als Beihilfe gewertet werden müssen – das ist höchst wahrscheinlich.
In einem zweiten Schritt wird überprüft, ob diese Beihilfen "angemessen" sind. Das ist höchst zweifelhaft angesichts der schon jetzt bestehenden Marktbedingungen. Die Energieproduktion aus Kohle ist ein zunehmend weniger profitables Geschäft. Und die Bedingungen werden sich durch steigende CO2-Preise im EU-Emissionshandel weiter verschlechtern.
Diese Zahlungen sind ein vergiftetes Geschenk an die Kohleindustrie. Vergiftet deshalb, weil sie vermutlich zurückgezahlt werden müssen.
Bis wann wird klar sein, ob der Deal so überhaupt funktioniert?
Die Überprüfung durch die EU-Wettbewerbskommissarin wird bis zu zwei Monaten dauern. Wenn Probleme festgestellt werden, gibt es eine formellere Untersuchung, die bis zu 18 Monaten dauern kann. Dann folgt die Entscheidung, die auch unter Auflagen erfolgen kann. Je nach Ausgang der Prüfung sind die schon gezahlten Beihilfen zurückzuzahlen.
Im Gegensatz zu dem, was die Bundesregierung behauptet, gibt es also keine Rechtssicherheit.
Wie verfahren andere Länder, die ebenfalls aus der Kohle aussteigen? Viele wollen ja schon früher als Deutschland kohlefrei sein, wo 2038 das Enddatum ist.
Es gibt in keinem anderen Land Vorschläge für derartig massive Entschädigungszahlungen, wie sie von der Bundesregierung angepeilt werden, und die EU-Kommission wird das bei ihrer Entscheidung berücksichtigen. Das ist umso erstaunlicher, als tatsächlich in vielen Ländern angesichts der Klimakrise sehr viel frühere Ausstiegsdaten gelten.
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