Grandioser Stuttgart-Roman
Von Stuttgart in die Welt: Anna Katharina Hahns wundervoller neuer Roman „Aus und davon“ erzählt von Tradition und Rebellion, von starken Frauen und ausgebüxten Männern.
Eines sollte man bei diesem Roman, der mit einem an die Decke geklebten Pfannkuchen beginnt, tunlichst vermeiden: sich von der so naiv dahergesprudelten Fabulierfreude auf die falsche Fährte locken zu lassen und dieses Buch auf die leichte Schulter zu nehmen. Sonst könnte es einem gehen wie jenem Heiligen, der geglaubt hat, ein Kind auf den Schultern zu tragen, und feststellen musste, es war das Gewicht der Welt.
Damit hat man natürlich schon den ersten Kardinalfehler begangen, denn Heilige im katholischen Sinn haben hier wenig zu melden: Wir sind im Einzugsbereich des schwäbischen Pietismus, und auch wenn Elisabeth Geiger, eine der Protagonistinnen von Anna Katharina Hahns neuem Roman, sich wacker bemüht hat, im Laufe ihres Lebens der strengen Gedankenwelt des Herkommens zu entfliehen, melden sich in ihrem Inneren bei jeder Gelegenheit die Stimmen zweier alter Damen unter gestärkten Diakonissenhäubchen, um sie zur Ordnung zu rufen. Das dicke Kind, dessen Leid sie zu stemmen hat, ist ihr Enkel Bruno. Er ist unglücklich. Erst haben sich die Eltern scheiden lassen, weil es seinen Vater zurück in dessen griechische Heimat zog. Und nun hat auch noch die alleinerziehende Mutter überraschend eine Auszeit genommen, um ihrerseits in Amerika ein unbekannteres Kapitel der eigenen Familiengeschichte aufzublättern.
Elisabeth soll Bruno und seine Schwester Stella hüten und ist deshalb vorübergehend aus ihrem Haus in Hedelfingen in die Wohnung im Stuttgarter Osten gezogen, um die entkernte Kernfamilie wieder etwas auf Vordermann zu bringen. Allerdings ist es gerade um ihren eigenen Haushalt selbst nicht zum Besten bestellt. Vor kurzem hat ihr Mann einen Schlaganfall erlitten, doch kaum genesen ist ein vielleicht letzter Frühling mit ihm durchgegangen. Irgendwann ist auch noch der Junge weg. Und würde man jetzt noch etwas vorgreifen, und erzählen, was auch die bezaubernde Teenagerin Stella mit dem syrischen Flüchtlingsjungen Hamid zu durchleiden hat, wäre die Sache doch wohl klar, wovon „Aus und davon“ der Stuttgarter Autorin handelt: genau davon, von zerbrechenden Beziehungen und Menschen, die sich davon machen.
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https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal...23e5ab667d.html
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