Bodo Kirchhoff: Bericht zur Lage des Glücks
Trotz am Ende zwiespältiger Gefühle: Keine Zeitverschwendung mit dem Roman “Bericht zur Lage des Glücks” von Bodo Kirchhoff
Für seine von uns an dieser Stelle besprochene Novelle „Widerfahrnis“ erhielt Bodo Kirchhoff 2016 den Deutschen Buchpreis. Ähnlich wie in jenem preisgekrönten Buch spielt eine Autofahrt auch im neuen Roman „Bericht zur Lage des Glücks“ eine tragende Rolle. Ging es für die beiden „Widerfahrnis“-Hauptfiguren in den Süden nach Italien, befindet sich der Erzähler in Kirchhoffs neuem Werk bereits dort und auf dem Weg vom Süden in den Norden des Landes im Mittelmeerraum. Der namenlose ehemalige, noch nicht im Rentenalter befindliche Redakteur einer christlichen Zeitung fährt die einst mit seiner ehemaligen Freundin Lydia unternommene Urlaubreise nochmal ab. Einerseits aus Nostalgiegründen, andererseits, um mit der Vergangenheit abzuschließen.
Auf dieser Fahrt nimmt er die schöne, ebenfalls namenlose bleibende, aus Afrika geflüchtete schwarze Migrantin mit. Eine Frau mit der „Figur einer Hochspringerin“, die langsam aber sicher zu einem geheimnisumwitterten Star der italienischen Medien avanciert. Auf der stetigen Suche nach einem ominösen Cousin der Afrikanerin wird diese zur verehrungswürdigen Begleitung des Erzählers. Trotzdem fädelt er den Verkauf ihrer Geschichte an den bekannten wie skrupellosen Journalisten Cordes, der sich zufällig ebenfalls in Italien befindet und als aktueller Lebensabschnittsgefährte Lydias vorgestellt wird. Die geplante Sensationsstory eskaliert, die Afrikanerin flüchtet und der Erzähler sieht sich zu einem Tötungsdelikt gezwungen. So muss auch er fliehen und versteckt sich fortan im afrikanischen Herkunftsort der unbekannten Schönen, wohin ihm seine Kindheitsfreundin Maren folgt, der er den überwiegenden Teil seiner Geschichte erzählt hat. Aber prinzipiell kann er seine ehemalige Partnerin Lydia doch nicht vergessen.
Es steckt viel Stoff zwischen den Themen Liebe, Flucht, Rassismus, Vergangenheitsbewältigung und Traumata in diesen 600 Seiten. Vielleicht etwas zu viel. Was bei „Widerfahrnis“ in der dort gebotenen Kürze sehr gut funktionierte, ufert hier in teilweise langatmigen Selbstreflexionen eines mitunter larmoyanten Ich-Erzählers aus. Dass Bodo Kirchhoff ein exzellenter Schriftsteller ist, beweist er hier durchaus erneut und seiner stilistischen, in diesem Roman passagenweise seltsamen Anziehungskraft kann man sich nur schwerlich entziehen. Die Idee, eine einzige Perspektive zu wählen, mag nicht die beste Kirchhoffs gewesen sein, und ein paar Seiten weniger hätten es sicherlich auch getan. Um das Glück scheint es nach Abschluss der Lektüre auch nicht so gut bestellt und beim Leser kann sich ein zwiespältiges Gefühl ausbreiten. Aber Zeit vergeuden kann man mit einem Buch Bodo Kirchoffs eben dann doch nicht.
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