Yael Inokai „Der simple Eingriff“
Yael Inokai erzählt in ihrem Roman „Der simple Eingriff“ auf engstem Raum von Disziplinierung und Befreiung – und ganz aktuell von einer neuen Bescheidenheit.
Der „simple Eingriff“ im Titel von Yael Inokais drittem Roman ist ein medizinisch gruseliger Vorgang. Ihn so zu nennen, den Eingriff, ist offenbar eine gezielte Untertreibung, die der Beruhigung der Patientinnen dient. Ihn so zu nennen, den Roman, weist aber darüber hinaus und vom Inhalt auf die Form: Eine Einfachheit liegt über diesem Buch, das sich um keineswegs simple Dinge dreht, eine Direktheit und Konzentration der spannenden Handlung, die sich zum Teil fast jugendromanhaft gibt (ein solches Buch im Deutschunterricht könnte Leben verändern).
Dazu kommt eine Künstlichkeit, die erst auf die Strecke überzeugt und in einem seelenruhigen Erzählen besteht sowie in Pointierungen, Reduktionen, Aussparungen. Der Fall selbst: verwickelt. Aber wie der „Eingriff“ einen Schalter im Hirn der Patientinnen umlegen soll, so legt sich nachher ein Schalter im Hirn der Erzählerin um. Das geht so zügig, so bilderbuchmäßig vonstatten – eigentlich wie der „simple Eingriff“ selbst sein sollte, aber nicht ist –, dass man sich darüber wundert. Andererseits: Die Erzählerin ist damals sehr jung gewesen. Und die Welt, in der sie gelebt hat, ist eine stramme Hierarchie, so subtil sie auch daherkommt.
„Ein simpler Eingriff“ ist eine große Rückblende, wie man sogleich wieder vergisst, zumal alle Aufmerksamkeit auf eine Gesellschaft gelenkt wird, die sich zeitlich nicht einordnen lässt. Sie erscheint vergangen oder zukünftig, dabei nicht weit weg von uns. Die Erzählerin Meret arbeitet als Krankenschwester. Die fabrikmäßige Organisation des Krankenhauses fällt erst allmählich auf. Es gibt winzige Zweibettzimmer für die Schwestern, die in fließbandhaften Strömen auf Rädern zu ihren Schichten fahren. Das Telefon steht im Gang, von moderner Elektronik ist keine Rede. Die älteren Schwestern leiten die jüngeren an, oben stehen die Ärzte (kein generisches Maskulinum).
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https://www.fr.de/kultur/literatur/yael-...n-91771365.html
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