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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#1 von Karl Ludwig , 18.04.2016 09:17

Es stimmt. Ich bin ein Schlunz. Oder, in einem anderen Kontext: Ein graduell außerirdischer Anthropologe, der ein seltsames Gebilde namens Menschheit und dessen Rituale erforscht.

Am Besten von innen her ausloten; bei mir selber beginnen, das liegt auch am Nächsten. Irgendwo muss man ja anfangen. Ich, der Solitär. Kann nicht nur in keiner Rockgruppe mitspielen, sondern ist komplett 'Teamunfähig', ein schweres Stigma, selbst für einen Schlunz.

Nun, das Spiel lautet ja: Durchschlängeln ohne sich allzu sehr zu verbiegen. Also habe ich die letzten (nachrechgerechnet) 45 Jahre an einer Idee partizipiert, die ein Freund von mir hatte, der auch mit mehr Energie als ich im Schweinerennen galoppiert.

Ich hole weit aus: In England gibt es keine Kirchensteuer. Der Unterhalt dieser vielen leerstehenden Gotteshäuser, die irgendwelche reiche und deswegen im Alter reuige Landlords stifteten, kostete zu viel. Die anglikanische Kirche verkaufte also das Inventar. (Ob das immer noch so ist, weiß ich nicht)

„Komm her, hilf mal mit, einen LKW zu entladen.“ So fing es an. Wandverkleidungen, Kanzeln, Bänke, Balustraden – alles aus Massivholz (Pine and Oak, gut abgelagert und über 150 Jahre alt, manchmal sogar vielleicht 300? Blei- und Ätzglas. Schnitz- und Drechselarbeiten für weniger Geld, als die selbe Menge Brennholz kosten würde, so wie mir mein Bekannter versicherte. Daraus bauten wir die Inneneinrichtung der Dortmunder Union im Stammhaus derselbigen in – genau - Dortmund. Es sprach sich rum. Eine Alternative zu den Standardausstattungen in Eiche furniert und mit Grundrissen wie für eine Kantine.

Der Laden wuchs, Meister und Gesellen wurden eingestellt, eine Bürokraft, dann jemand mit Bankerausbildung zur Finanzkontrolle, ein Produktionsleiter für die Arbeitsvorbereitung und ein Innenarchitekt. Ich war 'Springer'.

Privat ging meine (erste) Ehe schon länger den Bach runter. Nein, sie wolle nicht in eine andere Stadt ziehen und dieser Typ samt Paladine wäre doof. Punktum. Ich aber wollte raus – da war nur noch die Frage: Und das Kind? Ich überließ es ihr kampflos. Nun, inzwischen ist die Dame tot und unser gemeinsamer Sohn recht erfolgreich. Komisch, seinen eigen Kindern zu wünschen, dass sie nicht so werden mögen wie ihre Eltern. Inverser Songtext von Ton Steine Scherben: Ich will nicht so werden, wie mein Alter ist: Meine Kinder sollen nicht so werden wie ich es bin.

Ich stieg gemächlich vom Eckenfeger zum Project Manager über alle Stationen auf: Kreissäge, Arbeitsvorbereitung, Controlling (dafür schrieb ich ein erstes Programm, aus dem sich später eine Branchenlösung entwickelte, die sogar mehrmals zu einem Heidenpreis verkauft wurde), Marketing, Verkauf, Finanzierungen, Planungen etc.

Zwischenzeitlich kämpfte ich mit meinem privaten Drachen Morphomanie. Ein Idiotenspiel. Oft war ich auch monatelang auf Trebe durch Klein und Großasien.

Aber meiner beruflichen Laufbahn fügte die Schneckeritis, mein mangelnder Ehrgeiz gepaart mit exzessiver Exzentrizität keinen größeren Schaden zu. Als mir ein Angebot von über 70 Kracher per anno gemacht wurde, stieg ich aus. Ich sah, was aus mir werden könnte, wenn ich diesen Weg weiter gehen würde. Ich sah es bei denen, die nicht ausstiegen.

Naja. Meine zweite Ehe hielt auch bloß 10 Jahre und dann wurde ich zum Solitär, nur das Zölibat wurde nicht in meine Lebensplanung mit eingebaut. Zum Glück. Denn dadurch kam ich in den Genuss einer Lektion, die fast jeder Mann nötig hat: "Keine Frau kann dich vor dir selber schützen!"

Das war ein schmerzhafter Prozess und Emma (Kryptonym) durfte auch etwas mitleiden. Aber ich war hinterher zumindest in dieser Beziehung geheilt. Wenn Liebe zum Grund einer Seele taucht, können auch böse Geister geweckt werden, die bloß scheintot sind. Diesen sei das 'Schein' genommen.

Inzwischen bin ich mir recht Nahe gekommen. Glaube ich. Selbst meine ... äh ... Bekannte muss aus ihrem Zuhause 20 Meter über den Hof gehen, bevor sie bei mir ankommt. Nie wieder gemeinsame Wohnung und Symbiose - vielen Dank aber auch.

Das waren die wichtigsten Stichworte zu meinem langweiligen Leben. Also grüßt mich in Zukunft freundlich, sonst … ach, ich will da nichts Konkretes andeuten – Ihr werdet es ja erleben.


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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#2 von BABS the SPECIAL ONE , 18.04.2016 10:58

Nach dem Schneiderschen Ohrstöpselprinzip heisst Schrödingers Katze Schlunz, weshalb sich mir nicht erschliesst, wieso Du meinst ein Schlunz zu sein.
Allerdings hast Du Recht, Dein Leben als langweilig zu empfinden. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass Dein einziges Hobby musikalische Quargeltexte sind.
Ich habe schon früh angefangen, Bahnlinien zu sammeln. So bin ich zu Zeiten, als es Ost-Pakistan noch gab, von Chittagong nach Mandeley in Siam gefahren. Und ich bin mit dem Transandino von Los Andes nach Mendoza gefahren. Und mit der TransSib nach Chabarowsk. Du siehst also, wichtig ist es, immer ein Hobby zu haben, was einen weiterbildet ohne Vernachlässigung des Spasses.
Vielleicht solltest Du die Klampfe in die Ecke stellen und White Sun zum neuen Hobby ausrufen.
Diesen gut gemeinten Rat gibt Dir kostenfrei die halbanagrammatische Buchstabensüpplerin.


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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#3 von Karl Ludwig , 18.04.2016 12:14

Nee. Bin doch beratungsresistent. Aber ich habe heute mal in der Werkstatt nachgeschaut. Und sofort einen Haufen gut abgelagertes Holz gezeigt bekommen und einige alte Bleiglasscheiben. Hinzu kam eine AV: Ca. Drei Meter Baldachin, mit Bleiglas und für Hinter Glas Beleuchtung vorgesehen. Mit Cornice, Schnitzapplikationen (Kekse genannt) und allem Pipapo.

Irgendwie macht banales Tischlern immer noch Spass. Zwei Stunden lang die Holme für eine Rahmenkonstruktion mit Zapfen und Nut gesägt, gefräst, ineinander gesteckt und Hurrah geschrien: Ich kann's noch! Morgen und Übermorgen kommt der Bleiglaszuschnitt, Donnerstag Oberfläche und Freitag der Notarzt.

Schrödingers Katze hieß Schlunz? So eine Frechheit von ihr. Dem 'Schneiderschen Ohrstöpselprinzip' muss ich mal hinterherrecherchieren. Nie von gehört.

Boah. Siam. Vage Bilder von anmutigen Tempeltänzerinnen mit spitzen silbernen Hüten und Fingersprache nebst Katzen. Siam hört sich auch viel geheimnisvoller an als Thailand, welches seinen traurigen Weltruhm als grössten Puff der Erde verteidigen muss. Da war ich niee - schluchts. Aber Du. Das hast Du doch extra gemacht.


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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#4 von Sirius , 18.04.2016 12:46

Die eine sammelt „Bahnlinien“, der andere äh..Bekannte oder so. Man weiß nicht, was kostspieliger ist, ich schätze mal, die Bahnlinien, vor allem, wenn man sie auch abfährt, während der andere auf seine äh..Bekannte abfährt mit dem kurzen Anfahrtsweg.
So hat ein jeder sein Leben und wenn keiner guckt, bleibt selbst Schrödingers Schlunz am Leben, und das ist am langweiligsten.
Vielen Dank, klsa, für die wichtigsten „Stichworte“ aus deinem Leben, das war wieder sehr amüsant.
Und deine Kommentare sind ja immer amüsant, Babs.

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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#5 von Karl Ludwig , 18.04.2016 13:32

Es ist schon seltsam mit den Erinnerungen. Die stecken ja nicht in irgendwelchen Schubladen und halten still. Sie interagieren, sie lassen sich von der Tagesform manipulieren, sie verändern, -fälschen sich im Laufe der Zeit, kurz, Erinnerungen sind nicht statisch, sondern dynamisch. Nicht Zustand, sondern Prozess.

Wenn ich einen 'Blick zurück im ... (Ja, was denn nun? Im Zorn stimmt nicht, zum Lachen war es auch nicht immer, na, egal) werfe, also, wenn ich in meiner Vergangenheit wühle, fallen mir verdammt viele Momente ein, in denen ich, höflich formuliert, keine gute Figur abgab. Die trete ich ja nicht gerne und gnadenlos ehrlich breit, sondern hübsche sie natürlich etwas auf. Das tu ich aber Euch zu Liebe, oder wollt Ihr etwa Peinlichkeitssuaden lesen? Außerdem weiß ich selber nicht, was nun stimmt: Habe ich es richtig gemacht, so wahr ich mir helfe, oder habe ich das Geschenk des Lebens vergeudet? Muss ich tatsächlich ewig strebend mich bemühen, bloß um erlöst zu werden? Wovon denn? Nur weil die Schlusssequenz aus Faust II noch im Hirn klebt?

Ja, da seht Ihr mal, mit welchen Problemen ich so zu kämpfen habe. Aber Babs könnte mir ruhig die 'Buchstabensüpplerin' verzeihen, die ist mir doch nur aus Versehen raus gerutscht.


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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#6 von BABS the SPECIAL ONE , 18.04.2016 14:28

Warum soll ich Dir etwas verzeihen, was ich Dir nie übel genommen habe?
So, so. Ein Tischler bist Du. Damit lebt´s sich doch recht geschmeidig. Jedenfalls besser als Tischlers Tochter, hahahaha.
Übrigens, das hast Du gut formuliert. Erinnerungen sind nicht statisch, sondern dynamisch.
Als damals der TransAndino auf 4000 m Höhe in den Anden die Chilenische Grenze erreichte, hab ich mich halb tot gefroren und den Entschluss verflucht, die Fahrt angetreten zu sein. Dann, in Los Andes, wo die Schmalspur-Waggons auf Normal-Spur Fahrgestelle umgesetzt wurden und wir dann weiterfuhren nach Santiago de Chile war dies schon fast vergessen. Und heute denke ich nur euphorisch an dieses einzigartige Erlebnis zurück.
Da verblassen die ganzen Scheiß-Unannehmlichkeiten.


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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#7 von Karl Ludwig , 18.04.2016 14:57

Ich bin dem 'Schneiderschen Ohrstöpselprinzip' hinterher gegoogelt; da gibt es nur einen Eintrag bei Stupidia und den finde ich sehr gequält lustig.

Es heißt ja, dass ein hoher Anteil des Hirnes gar nicht genutzt wird, was natürlich Blödsinn ist. 67 % verbraucht das Hirn, um all die Wunder um sich herum auszublenden und zu übersehen. 72 % um die unangenehmen Erinnerungen zu vergessen und dann verlangt die Libidodrüse noch mindestens 43 %. Viel bleibt da nicht übrig. Eher ein Negativrest und den habe ich meiner ...äh ... Bekannten geschenkt.

Übr. bin ich kein Tischler, sondern jemand, der unter anderem auch Tischlern kann, als ob es das Einzige wäre. Auf meiner Visitenkarte (Ihr wisst schon, lustig) stand mal 'Experte'. Speziell die Unspezialisiertheit hat uns von den Bäumen getrieben, wobei anzumerken wäre, daß dieses Bild auf 999 Beinen hinken würde, wenn es ein Tausendfüssler wäre. Und dieses auch, denn ein Tausendfüssler hat weitaus weniger Beine. Ich glaube 20 sind das Maximum.


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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#8 von BABS the SPECIAL ONE , 18.04.2016 15:14

Was ist eine ...äh ... Bekannte ????


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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#9 von Karl Ludwig , 18.04.2016 15:28

Konkubinat? Lebensabschnittsschnitte? Kebsweib? Muse? Fickschlitten? Nervtöterin? Bereicherung? Referenz an den genetischen Imperativ? Geisha? Freundin? Ja, vermutlich Letzteres. Schließlich hat Mama viel Zeit und Energie investiert, aus mir einen 'höflichen, netten' Menschen zu machen.

Und um einer passenden Frage zuvor zu kommen, falls sie gestellt werden sollte: Nein, Steaks kann sie nicht. Hat es eher mit Kräutern aus eigenem Anbau. Rupft mir den Schlafmohn aus, wenn sie ihn findet. Ein hinterhältiges und verschlagenes Wesen. Kein Wunder, muss sie es doch mit mir aufnehmen können.


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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#10 von BABS the SPECIAL ONE , 18.04.2016 16:27

Die fünfte Bezeichnung habe ich nicht zur Kenntnis genommen!! Wahrscheinlich würde Deine Freundin auf die Frage Dich betreffend antworten:
Beckenrandschwimmer, Polizisten-Duzer, Suppenwürfel-Kiffer usw.


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RE: Aus meinem langweiligem Leben

#11 von Karl Ludwig , 18.04.2016 17:41

Die hat noch ganz andere Bezeichnungen für mich auf Lager, welche ich aber an dieser Stelle nicht wiedergeben kann, denn Mama hatte viel Zeit und Energie investiert ... usw.

Außerdem hat dieses verabscheuungswürdige Wesen heute zuerst das Lösungswort vom Kreuzworträtsel gefunden und mir teilweise dem Schokosahnekuchen geklaut.


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