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RE: Unwohlsein

#1 von Sirius , 22.12.2016 00:29

Unwohlsein

Mir geht es heute nicht so gut. Man liest es ja häufig, dass jemand plötzlich und unbewusst verstirbt, von dem nur bekannt war, dass ihm morgens unwohl war. Das reicht ja meistens schon aus, wenn man medizinisch unterversorgt ist.
Ich habe heute auch keinen Appetit und keine Lust zum Stänkern. Das ist ein schlechtes Zeichen. Ich hatte mal ein Auto, das machte plötzlich so komische Geräusche. Ich schob es vorichtig in die Werkstatt und da stellte sich heraus, dass mein Wagen eine Lacktose-Intoleranz hatte. Da war nichts mehr zu machen, ich musste ihn einschläfern lassen.
Es ist ja nicht immer so, dass man mit großem Orchester auf dem Marktplatz in seinem besten Anzug unter der Anteilnahme vieler hundert Menschen theatralisch an einem Herzinfarkt verendet, weil der Notarzt erst drei Stunden später die zwei Kilometer mit dem Regionalzug fahren musste. Der Notarztwagen war leider in der Werkstatt, weil der Fahrer während der Fahrt immer so komische Geräusche hörte.

Oder man bricht völlig überaltert zusammen, während man mit seiner Freundin beim Shoppen ist und im dreiundzwanzigsten Schuhladen an seiner Lederallergie verstirbt.
Aber macht euch bloß keine Sorgen, ich komme schon klar, umfallen kann ich auch alleine.
Man mag das ja auch gar nicht erwähnen, wenn man nicht gleich den Kopf unter dem Arm hält, gilt man ja als wehleidig, obwohl ich ja praktisch nur noch über die Leber atme und mich notdürftig versorge, seitdem meine beiden Lungenflügel und die Nieren vor einer halben Stunde ihren Dienst versagt haben.
Aber, wie gesagt, kein Grund zur Besorgnis.

Es ist ja nicht weiter, außer dass ich mich nicht so recht wohlfühle, seit dem Magendurchbruch letzte Nacht nach einer vermutlichen Überdosis Fencheltee. Das war schon heftig mit den Krämpfen, vor allem, als danach für kurze Zeit das Herz aussetzte.
Ich hab mir dann notdürftig mit Strohhalm und Fahrrad-Ventilgummi einen Stent gesetzt, das hät jetzt erst einmal.
Aber dieses komische Unwohlsein ist geblieben, das macht mir etwas Sorge, aber vermutlich bin ich nur etwas zu empfindlich.

Ich befürchte nur, durch irgendeine Unpässlichkeit wird mein Hirn nicht mehr richtig durchblutet, wahrscheinlich durch den Blutverlust, als ich mir wegen der Seitenstiche den Blinddarm entfernt habe, den braucht man ja ohnehin nicht, aber es blutete halt sehr lange noch nach und seitdem habe ich auch heftige Migräne und sehe alles doppelt und verschwommen.
Ich hab dann zwei, drei geraucht und seitdem geht es wieder, nur dass ich alle zehn Minuten bewusstlos werde, weiß der Kuckuck warum, das Alter wahrscheinlich.
Vorsichtshalber habe ich mir dann aber doch beim Arzt einen Termin geben lassen, obwohl mir das wegen der Lappalie schon recht peinlich war. Und ich habe auch sofort einen für den zweiten März bekommen. Und solange halte ich ja wohl noch durch, falls die Leber nicht noch weiter aufreisst.

Sirius


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Sirius
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RE: Unwohlsein

#2 von Jonny , 22.12.2016 07:59

Sirius, mach dir keine Sorgen, du hast da alles richtig gemacht!
Obwohl dein operativer Eingriff - ohne das dir ein Weißkittel aus sicherer Entfernung fachmännische Anregungen zugerufen hat - zu denken gibt.

Da geht's mir ja mit meiner "vermutlichen Darmentzündung" noch recht gut...
Der Doc war so nett mal kurz ein oder zwei Finger in meinen Unterbauch zu bohren und für den überübernächsten Tag
eine Blutabnahme anzusetzen. Bis dahin stopfte ich mir Breitbandantibiotikum in den Hals,
(wahrscheinlich genügt das gute Antibiotika aus dem Rindfleisch im Supermarkt nicht) und zwischendurch
ein paar Kapseln Stuhlganghärter, damit mir der gute Stoff nicht gleich wieder an den Innenseiten meiner
Oberschenkel hinunterläuft. Die Blutanalyse nach dem überübernächsten Tag bestätigte, dass es schon viel besser
sein muss, als vor dem vorvorletztem Tag.
Und das ich nach dem siebten Tag keine Pillen mehr schlucken brauchte, lies mich Doc noch wissen,
während er ohne aufzublicken meinen Urlaubsschein in die Vorverlängerung schickte.
Un jets, so kurz vor der großen Fresserei, trau ich mich nich mal an des Weihnachtsbier,
schon gar nich an den Rotwein, an die guten Rezepte von Karl-Ludwig.
Das is nich fair, nein, das isses nich...

 
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RE: Unwohlsein

#3 von Karl Ludwig , 22.12.2016 09:16

Der Notarzt lehnte sich zurück.

„Völlig klare Sache“, sagte er, „Ein deutlicher Fall von Mortis portalis tackulatum mit Komplikationen.“

„Was bedeutet das?“

„Anders ausgedrückt …“ antwortete der Doktor, „er ist so tot wie eine Ölsardine.“

„Und die Komplikationen?“

Der Arzt verzog das Gesicht. „Er atmet noch immer“, sagte er. „Sein Puls schlägt Salto Mortalis, und die Haut ist so heiß, dass man Spiegeleier darauf braten könnte.“ Er zögerte und kam zu dem Schluss, dass seine Erklärungen zu einfach waren. Die Medizin gehört zu den wahrhaft seriösen Wissenschaften und sollte deswegen nicht von Laien ohne weiteres verstanden werden. Sorgfältig legte er sich die einzelnen Silben zurecht.

„Pyrozere-brum oeurf culinaire! Ganz übel.“

„Hm“, lautete der dazugehörige Kommentar. „Können sie ihm helfen?“

„Nein. Er ist tot. Alle medizinischen Tests beweisen es. Daher gebe ich Ihnen folgenden, äh, Rat. Füttern sie ihn mit Aspirin und begraben ihn dann. Sorgen Sie dafür, dass er es bequem und kühl hat. Sagen Sie ihm, dass er nächste Woche noch einmal zu mir kommen soll, vorzugsweise nicht auf einer Rollbahre, wegen den Treppen.“

„Aber er atmet noch immer!“

„Typische Reflexe, die einen Laien verwirren können“, kommentierte der Arzt würdevoll.

Der Patient öffnete die Augen. „Von Aspirin bekomme ich Durchfall“, sagte er.

„Tot, nicht wahr?“

Der Doktor verteidigte seine medizinische Ehre. „Es kommt recht häufig vor, dass eine Leiche nach dem Tod sonderbare Geräusche von sich gibt“, behauptete er kühn. „Manchmal erschrecken Freunde und Verwandte, wenn …“

Der Patient setzte sich auf.

„Unter Umständen kommen Muskelkrämpfe im steif werdenden Körper hinzu …“ begann der Arzt, obgleich es ihm jetzt an Überzeugungskraft fehlte. Plötzlich fiel ihm was ein.

„Es handelt sich um eine seltene und geheimnisvolle Krankheit. Derzeit leiden viele Personen daran. Verursacht wird sie von Grüppe. Ja, eine Grüppe mit colateralen Komplexkomplikationen.“

„Vielen, vielen Dank. Wenn wir uns das nächste Mal so richtig gut fühlen, lassen wir uns von Ihnen untersuchen.“

Auch wieder mit etwas Terry Pratchett dabei. Ich habe diesen Mann bewundert.


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RE: Unwohlsein

#4 von Jonny , 22.12.2016 11:13

Herrlich, Karl-Ludwig, herrlich!
Wenn mein Innenleben es wieder zulässt, geht mein erstes Glas auf dich!
Ich kann diese geheimnisvoll tuenden, arroganten Weißkittel nicht ausstehen.
Zum Glück hab ich sehr sehr selten mit denen zu tuen.
Außer meiner jährlichen TÜV vielleicht aller 5 Jahre einmal.

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RE: Unwohlsein

#5 von Karl Ludwig , 22.12.2016 12:12

Mit einer Geste der Ehrerbietung, eher eine Studie in fortgeschrittener Topologie, bewege ich meine Hand durch eine Serie komplizierte Bögen, setze ein Bein etwas zurück und verbeuge mich bis zum Knie: "Danke, Danke, Danke!"

Terry Pratchett war ein Genie! Leider ist er dann an AllesImEimer erkrankt, etwas wovor er sich immer gefürchtet hatte, und auch daran gestorben.

Das Leben ist nicht fair. Oder hat jemand eine andere These?


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RE: Unwohlsein

#6 von Sirius , 22.12.2016 20:07

Hallo Karl-Ludwig,

Ich weiß jetzt nicht, warum du deine Satire mal wieder direkt unter meine stellen musst. War sonst kein Platz mehr oder brauchst du mich als Stichwortgeber?

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RE: Unwohlsein

#7 von Karl Ludwig , 22.12.2016 21:28

Sorry. Ich passe nächstes Mal besser auf. Ich wollte nur einen kleinen Kommentar loswerden, aber dann schrieb ich doch etwas mehr. Ist keine böse Absicht gewesen. Ich könnte umschaufeln und hier löschen. ???

Vielleicht hatte ich auch angenommen, dass in diesem Ordner jeder seine Version von 'Unwohlsein' anhängen soll. Ich werde in Zukunft etwas besser überlegen, wo ich was hinpappe. Hoffentlich halte ich mich auch daran.


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RE: Unwohlsein

#8 von Sirius , 22.12.2016 21:56

Ist schon gut, Karl-Ludwig, du brauchst nichts löschen oder umschaufeln, das hätte ich ja viel besser können. Es ist nur schade, dass zwei Satiren in einem Thread stehen und sonst tagelang nichts.
Ich kann mir das ja nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln, ich brauche richtig Zeit dafür, bei dir geht das sicherlich wesentlich schneller.


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RE: Unwohlsein

#9 von Karl Ludwig , 22.12.2016 23:43

Danke, dass Du das locker siehst.

Für so einen Quatsch wie oben eingestellt, brauche ich mindestens zwei Stunden, Open Office (Ich schreibe fast nur im Schreibprogramm - es wäre unhöflich dem Leser gegenüber ihn mit lauter Rechtschreibfehlern zu irritieren) Google und Wikipedia zum Recherchieren, oder glaubt wer, dass ich alle wichtigen Jahreszahlen parat habe? Manchmal sogar eine Reimmaschine um zu gucken, ob da nicht ein passendes Wort, welches mir nicht einfällt, zu finden ist, Übersetzungsprogramm und vielleicht noch einen Artikel aus irgend einer Zeitung oder ein gutes Buch, auf welches ich mich beziehe. Insofern hast Du es mit Deinem 'Stichwortgeber' gut getroffen.

Und dennoch, grammatikalisch gesehen baue ich meine Sätze oft ziemlich wirr auf.

Zum Eingangstext: Unwohlbehagen scheint eine Art emotionale Verschleißerscheinung zu sein. Die Träume sind erfüllt oder haben sich aufgelöst, sind also weitgehendst tot. Das kann man nur mit Satire ertragen, das ist Notwehr. Darin bist Du verdammt gut. Du tauchst tiefer in die Angelegenheit ein – ich bleibe oft an der Oberfläche, sonst wird es mir zu deprimierend. Und Synonyme benötige ich auch ziemlich häufig, wegen Wortwiederholung oder auch nur, damit der Text sich klüger (An-) gibt, als ich es in Wirklichkeit bin.

Ich glaube zu wissen, dass Du ziemlich laborieren tust (Hier zum Beispiel wollte ich nicht 'krank' benutzen) und finde es bewundernswert, wie Du dennoch Humor zeigst, bzw. hast.


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RE: Unwohlsein

#10 von Sirius , 23.12.2016 00:37

Da bin ich ja beruhigt, Karl-Ludwig, dass es du es auch nicht so leicht hast.
Das „Unwohlsein“ ging ziemlich flott, vielleicht 30 Minuten, aber nur, weil ich die „Story“ schon unterwegs im Kopf hatte.
Ich bin nicht fehlerfrei, weil ich bein Word die Rechtschreibprüfung abgestellt habe. Die ist noch dusseliger als ich.
Stichwortgeber brauche ich auch: Zeitung, TV, Bücher, was jemand gerade sagt, was mir durch den Kopf geht, ein Wort, ein Satz – und dann ist die Idee da. Lustige Sachen schreibe ich meistens, wenn es mir schlecht geht. So baue ich mein Selbstmitleid ab.
Und du hast recht, ich „laboriere“ unentwegt. Wenn ich nicht krank bin, bin ich nicht gesund.
Man muss auch mal über sich selber lachen, die anderen tuns ja auch.
Und deinen Humor mag ich auch.

Sirius


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RE: Unwohlsein

#11 von Sirius , 23.12.2016 22:16

Hallo Jonny,

ich habe deinen schönen Kommentar nicht vergessen! Wichtig aber ist ja nur, ob deine Darmentzündung wieder besser ist oder ob du dich jetzt über Weihnachten quälen musst?
Das wäre ja wirklich nicht fair! Gute Besserung Dir und trotzdem frohe Weihnachten!

Sirius


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RE: Unwohlsein

#12 von Letreo71 , 24.12.2016 00:02

Die lustigsten Sachen schreibe ich auch in meinen schlechtesten Phasen, das ist reiner Selbschutz. Bloß gut.

Leo


Schreiben macht schön.

 
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