Abschied
Ich will dir die Sonne schenken,
mein Kind .
Aber du gehst mit leichtem
Schritt durch dein Mondlicht.
Ich male den Regenbogen
über dein Herz.
Aber du bist schon lange
frei und einsam.
Irmgard Jobst
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Himmelssachen
Die Sterne in der Höhe
Sind zwanzig goldne Flöhe.
Die Sonne hab ich gerne,
Mehr als die andern Stene.
Sonne, Mond und Sterne
Sind des Pudels Kerne.
Die Engel gehen fast völlig nackt,
Der Mond braucht keinen Steckkontakt.
Peter Hacks
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Wiegenlied
Heute
liegt dein Herz wie ein Stein
auf meinem Atem.
Ich möchte
deine Traurigkeit weinen
in dieser Nacht,
mein Liebling.
Irmgard Jobst
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Kindersand
Das Schönste für Kinder ist Sand.
Ihn gibt’s immer reichlich.
Er rinnt unvergleichlich
Zärtlich durch die Hand.
Weil man seine Nase behält,
Wenn man auf ihn fällt,
Ist er so weich.
Kinderfinger fühlen,
Wenn sie in ihm wühlen,
Nichts und das Himmelreich.
Denn kein Kind lacht
Über gemahlene Macht.
Joachim Ringelnatz
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Manfred Streubel
(Kindergedicht)
Nach Hause gehen
Am Abend, wenn der Schatten sinkt,
wird alles schwarz und schwer.
Die letzte Tür wird zugeklinkt.
Und aus der weiten Wiese blinkt
bald keine Blume mehr.
Das Füllen fällt ins dunkle Stroh -
von grüner Sonne satt.
Die alte Lok schnauft ins Depot.
Und alles wandert dorthin, wo
es seine Bleibe hat.
So gehn auch wir getrost nach Haus
aus lauter Lärm und Licht.
Umschwirrt von Mond und Fledermaus.
Die Nacht löscht unsre Lampe aus.
Doch unser Lächeln nicht.
Und wissen wir mal nicht wohin,
weil wir ganz elend sind -
so legen wir denn unser Kinn
hart auf die Knie : ein Lied im Sinn :
und wohnen weich im Wind.
So halten wir uns selber fest.
Und machen uns ganz klein.
Und passen : wenn die Nacht uns preßt :
in Kapsel, Korb und Vogelnest
hinein.
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Meine Tochter, halte manchmal inne
daß dein Blick beim Eilen nicht zu flüchtig wird
Leben, das ist Meer zugleich und Rinne
wo man recht hat und wo man sich irrt
Meine Tochter, meine ehdem Kleine
nun erfährst du, wie es für mich war
hast dein Leben, hast dein Kind, hast all das Deine
liebe Tochter mit dem ersten grauen Haar
Gisela Steineckert
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Manfred Streubel
Laternen anzünden
Die Nacht bricht stark herein.
Die Sonne ist so ferne.
Wir nehmen die Laterne.
Das gibt uns hellen Schein.
Da draußen weht der Wind.
Wo wir das Licht anzünden.
Es soll der Welt verkünden,
daß wir noch munter sind.
Wir tragen´s vor uns her
das zarte Lebenszeichen.
Soll alle rings erreichen.
Die starke Nacht muß weichen.
Wir fürchten uns nicht mehr.
Wir laufen über Land.
Das Licht hat schönen Schimmer.
Ach schiene es doch immer!
Leis findet Hand zu Hand.
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Abendlied
Warum, ach sag, warum
geht nun die Sonne fort?
Schlaf ein, mein Kind, und träume sacht,
das kommt wohl von der dunklen Nacht,
da geht die Sonne fort.
Warum, ach sag, warum
wird unsere Stadt so still?
Schlaf ein, mein Kind, und träume sacht,
das kommt wohl von der dunklen Nacht,
weil sie dann schlafen will.
Warum, ach sag, warum
brennt die Laterne so?
Schlaf ein, mein Kind, und träume sacht,
das kommt wohl von der dunklen Nacht,
da brennt sie lichterloh!
Warum, ach sag, warum
gehn manche Hand in Hand?
Schlaf ein, mein Kind, und träume sacht,
das kommt wohl von der dunklen Nacht,
da geht man Hand in Hand.
Warum, ach sag, warum
ist unser Herz so klein?
Schlaf ein, mein Kind, und träume sacht,
das kommt wohl von der dunklen Nacht,
da sind wir ganz allein.
Wolfgang Borchert
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Menschenjunges
Menschenjunges, dies ist dein Planet.
Hier ist dein Bestimmungsort, kleines Paket.
Freundliches Bündel, willkommen herein.
Möge das Leben hier gut zu dir sein!
Da liegst du nun also endlich fertig in der Wiege.
Du bist noch ganz frisch und neu, und ich schleiche verstohl`n
Zu Dir, und nur mit großer Selbstbeherrschung nur besiege
ich die Neugierde, Dich da mal rauszuhol`n.
Um Dich überhaupt erstmal genauer anzusehen.
So begnüg`ich mich damit, an Deinem ersten Tag
Etwas verlegen vor Deiner Wiege rumzustehen
Und mir vorzustellen, was Dein Leben bringen mag.
Mögest du all`das erfahren und all`das erleben,
Was lebenswert und im Leben wichtig ist.
Mög` es noch Wiesen und Bäume und Maikäfer geben,
Wenn Du im Maikäfersammelalter bist.
Möge auch allzeit Nägel, Murmeln, Strippe, Litze,
Kleister, Brausepulver, Buntstifte und Feuerstein,
Schraubenzieher, Isolierband, Knete und Lakritze
Reichlich in Deinen Hosentaschen vorrätig sein!
Und eines Tages kommt der Tag, da sitze ich beklommen
Ratlos vor den Schularbeiten, die man Dir aufgab.
Werde Deine Rechenaufgaben nicht rausbekommen,
Für den Aufsatz, den ich Dir geschrieben hab`,
Wirst Du, wenn Du sehr viel Glück hast, keinen Arrest kriegen,
Aber als Entschädigung dafür werd`ich mit Dir
Drachen bauen, Bilder mal`n und Doppeldecker fliegen
Und zeig`Dir den Umgang mit Lötlampe und Klavier.
Ein paar Jahre später dann nach manch`blutigen Nasen,
Nach unzähligen Pflastern über aufgeschlag`nen Knien,
Nach zerbroch`nen Fensterscheiben, zertöpperten Vasen,
Fehlgeschlagenen Erziehungstheorien.
Nach erkannter Unwirksamkeit strenger Zeigefinger
Machen wir beide nämlich gemeinsam jeden Stuss,
Jeden groben Unfug, und dann drehn`n wir all`die Dinger,
Die ich Dir bis dahin jedoch streng verbieten muß.
Reinhard Mey
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Peter Hille
Kind
Süßer Schwindel schlägt hinüber,
Heiße Blicke gehen über,
Und ein neues Leben rinnt.
Unserer Liebe starke Wonnen
Sammelt ein als starke Sonnen
In die Himmel seiner Augen
Unser Kind.
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Kinderkraft
Du hast kleine Hände,
die nichts wissen von den Zugriffen,
die Erwachsene haben können.
Du hast kleine Füße,
die nichts wissen von den Wegen,
die Erwachsene laufen müssen.
Du hast einen kleinen Mund,
der nichts weiß von den Worten,
die Erwachsene sprechen können.
Du mein Kind bist noch frei –
Du mein Kind
trägst die Hoffnung von uns allen –
Enttäusche Dich nicht.
Ursula Pahnke-Felder
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Du bist ein Riese, Max!
Kinder werden als Riesen geboren,
Doch mit jedem Tag, der dann erwacht,
Geht ein Stück von ihrer Kraft verloren,
Tun wir etwas, das sie kleiner macht.
Kinder versetzen so lange Berge,
Bis der Teufelskreis beginnt,
Bis sie wie wir erwachs´ne Zwerge
Endlich so klein wie wir Großen sind.
Du bist ein Riese, Max!
Sollst immer einer sein!
Großes Herz und großer Mut und
Nur zur Tarnung nach außen klein.
Du bist ein Riese, Max!
Mit deiner Fantasie,
Auf deinen Flügeln aus Gedanken
Kriegen sie dich nie!
Freiheit ist für dich durch nichts ersetzbar,
Widerspruch ist dein kostbarstes Gut.
Liebe macht dich unverletzbar
Wie ein Bad in Drachenblut.
Doch paß auf, die Freigeistfresser lauern
Eifersüchtig im Vorurteilsmief,
Ziehen Gräben und erdenken Mauern
Und Schubladen, wie Verliese so tief.
Du bist ein Riese, Max!
Sollst immer einer sein!
Großes Herz und großer Mut und
Nur zur Tarnung nach außen klein.
Du bist ein Riese, Max!
Mit deiner Fantasie,
Auf deinen Flügeln aus Gedanken
Kriegen sie dich nie!
Reinhard Mey
(Songtext)
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An mein Kind
Dir will ich meines Liebsten Augen geben
Und seiner Seele flammenreiches Glühn.
Ein Träumer wirst du sein und dennoch kühn
Verschloßne Tore aus den Angeln heben.
Wirst ausziehn, das gelobte Glück zu schmieden.
Dein Weg sei frei. Denn aller Weisheit Schluß
Bleibt doch zuletzt, daß jedermann hienieden
All seine Fehler selbst begehen muß.
Ich kann vor keinem Abgrund dich bewahren,
Hoch in die Wolken hängte Gott den Kranz.
Nur eines nimm von dem, was ich erfahren:
Wer du auch seist, nur eines - sei es ganz!
Du bist, vergiß es nicht, von jenem Baume,
Der ewig zweigte und nie Wurzeln schlug.
Der Freiheit Fackel leuchtet uns im Traume -
Bewahr den Tropfen Öl im alten Krug!
Mascha Kaléko
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