Oh, Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling, oh no
Schade um die Tränen in der Nacht, yeah, yeah
Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling
Weil schon morgen Dein Herz darüber lacht
(Siw Malmkvist)
Minnesänger - alles kranke Stalker. Man kann ja mal eine Zeit lang zu viel rauchen und tags über Bier trinken und verzweifelt sein, aber gleich VERSIECHEN wollen wegen einer aufgetakelten, eingebildeten, undankbaren Schnäpfe? Es gibt doch noch andere... Und anderes im Leben. Wie zum Beispiel: Kneipen.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Friedrich Rückert
Barbarossa
Der alte Barbarossa,
Der Kaiser Friederich,
Im unterirdschen Schlosse
Hält er verzaubert sich.
Er ist niemals gestorben,
Er lebt darin noch jetzt;
Er hat im Schloß verborgen
Zum Schlaf sich hingesetzt.
Er hat hinabgenommen
Des Reiches Herrlichkeit,
Und wird einst wiederkommen,
Mit ihr, zu seiner Zeit.
Der Stuhl ist elfenbeinern,
Darauf der Kaiser sitzt:
Der Tisch ist marmelsteinern,
Worauf sein Haupt er stützt.
Sein Bart ist nicht von Flachse,
Er ist von Feuersglut,
Ist durch den Tisch gewachsen,
Worauf sein Kinn ausruht.
Er nickt als wie im Traume,
Sein Aug halb offen zwinkt;
Und je nach langem Raume
Er einem Knaben winkt.
Er spricht im Schlaf zum Knaben:
Geh hin vors Schloß, o Zwerg,
Und sieh, ob noch die Raben
Herfliegen um den Berg.
Und wenn die alten Raben
Noch fliegen immerdar,
So muß ich auch noch schlafen
Verzaubert hundert Jahr.
Reset the World!
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Abseits
Theodor Storm
Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen,
Die Vögel schwirren aus dem Kraut -
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
Ein halbverfallen niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen;
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
- Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit.
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Zitat von Sirius
Abseits
Theodor Storm
Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
...
Warum eigentlich immer dieselben 8, 9, 10 Dichter? Obwohl, das hier ist ganz nett. Bei gutem Willen: Die gute alte, entschleunigte Zeit, in der man genug Zeit hatte, Muße zu schieben.
Glaub ich aber nicht, gab`s nicht und für die einfachen Leute eh nicht, die haben sich jeden Tag den Arsch abgearbeitet, um was zu fressen zu haben . Armut entschleunigt NICHT.
ABSEITS. Abgehängt. Der Kätner in seinem halbverfallen niedrig Haus würde heute - na was wohl Widerliches wählen?
Jörn
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Ja, weegee, leider sind nur diese acht, neun Dichter vorhanden, aber es geht aufs Ende zu.
Bald ist es überstanden und wir müssen wieder ganz toll geschriebene Gedichte lesen, anstatt diese Lieblinge der Verlage.
Ach, der Kästner. Der würde wohl jene wählen, die hier nicht willkommen sind und zum Sondermüll gehören.
Und die Armen werden wie eh und je gebeutelt, das wurde ja schon immer romantisch verklärt, wenn einer am Hungern war.
Sirius
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Hans Carossa (1924)
Der alte Brunnen
Lösch aus dein Licht und schlaf! Das immer wache
Geplätscher nur vom alten Brunnen tönt.
Wer aber Gast war unter meinem Dache,
Hat sich stets bald an diesen Ton gewöhnt.
Zwar kann es einmal sein, wenn du schon mitten
Im Traume bist, daß Unruh geht ums Haus,
Der Kies beim Brunnen knirscht von harten Tritten,
Das helle Plätschern setzt auf einmal aus,
Und du erwachst, — dann mußt du nicht erschrecken!
Die Sterne stehn vollzählig überm Land,
Und nur ein Wandrer trat ans Marmorbecken,
Der schöpft vom Brunnen mit der hohlen Hand.
Er geht gleich weiter. Und es rauscht wie immer.
O freue dich, du bleibst nicht einsam hier.
Viel Wandrer gehen fern im Sternenschimmer,
Und mancher noch ist auf dem Weg zu dir.
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(Emanuel Geibel 1815-1884)
Hoffnung
Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muss doch Frühling werden.
Und drängen die Nebel noch so dicht
Sich vor den Blick der Sonne,
Sie wecket doch mit ihrem Licht
Einmal die Welt zur Wonne.
Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht,
Mir soll darob nicht bangen,
Auf leisen Sohlen über Nacht
Kommt doch der Lenz gegangen.
Da wacht die Erde grünend auf,
Weiss nicht, wie ihr geschehen,
Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf
Und möchte vor Lust vergehen.
Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
Und schmückt sich mit Rosen und Ähren
Und lässt die Brünnlein rieseln klar,
Als wären es Freudenzähren.
Drum still! Und wie es frieren mag,
O Herz, gib dich zufrieden;
Es ist ein grosser Maientag
Der ganzen Welt beschieden.
Und wenn dir oft auch bangt und graut,
Als sei die Höll' auf Erden,
Nur unverzagt auf Gott vertraut!
Es muss doch Frühling werden.
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Zitat von Sirius
(Emanuel Geibel 1815-1884)
Hoffnung
Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muss doch Frühling werden...
.
Ja, ja, nach Regen folgt immer auch Sonnenschein. Süß. Das gilt aber nur für die Natur, denn man kann durchaus scheiße geboren werden, scheiße leben, scheiße sterben. Nach der Nacht kommt immer auch ein Morgen - das kann man Leuten auch zur Beruhigung einflüstern, damit sie nicht mucken. Oder noch besser: Dein Leben ist hier mit Sicherheit erbärmlich, das lässt sich nciht ändern, aaaaber: Im Jenseits, da wird's toll.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Ich weiß nicht was soll es bedeuten
Heinrich Heine
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.
Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar;
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.
Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.
Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh.
Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley getan.
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Zitat von Sirius
Ich weiß nicht was soll es bedeuten
Heinrich Heine
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn....
.
Hab ich schon erwähnt, dass ich Heine mag? Das ist Romantik, gewiss, aber nicht so schwülstig, irgendwie doch licht und leicht und frisch.
Allein der Anfang
"Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin..."
ist ganz zauberhaft melodiös und dann diese Vertonung, von Clara Schumann, glaube ich: einfach nur zum Drauflosheulen.
Und die Botschaft? Frauen sind unser Untergang. Nein, das wäre zu hart. Ich tendiere eher zu: Wir haben alle eine bitter-süße Sehnsucht inne, die nie gestillt werden kann. Und wir wissen nicht, was sie will und woher sie kommt.
Jörn
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Jetzt kommt das Vorletzte:
Paul Heyse
Über ein Stündlein
Dulde, gedulde dich fein!
Über ein Stündlein
ist deine Kammer voll Sonne.
Über den First, wo die Glocken hangen,
ist schon lange der Schein gegangen,
ging in Türmers Fenster ein.
Wer am nächsten dem Sturm der Glocken,
einsam wohnt er, oft erschrocken,
doch am frühsten tröstet ihn Sonnenschein.
Wer in tiefen Gassen gebaut,
Hütt' an Hüttlein lehnt sich traut,
Glocken haben ihn nie erschüttert,
Wetterstrahl ihn nie umzittert,
aber spät sein Morgen graut.
Höh' und Tiefe hat Lust und Leid.
Sag ihm ab, dem törigen Neid:
andrer Gram birgt andre Wonne.
Dulde, gedulde dich fein!
Über ein Stündlein
ist deine Kammer voll Sonne.
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Adelbert von Chamisso (1781 – 1838)
Die alte Waschfrau
Du siehst geschäftig bei dem Linnen
Die Alte dort in weißem Haar,
Die rüstigste der Wäscherinnen
Im sechsundsiebenzigsten Jahr.
So hat sie stets mit sauerm Schweiß
Ihr Brot in Ehr' und Zucht gegessen,
Und ausgefüllt mit treuem Fleiß
Den Kreis, den Gott ihr zugemessen.
Sie hat in ihren jungen Tagen
Geliebt, gehofft und sich vermählt;
Sie hat des Weibes Loos getragen,
Die Sorgen haben nicht gefehlt;
Sie hat den kranken Mann gepflegt;
Sie hat drei Kinder ihm geboren;
Sie hat ihn in das Grab gelegt,
Und Glaub' und Hoffnung nicht verloren.
Da galt's die Kinder zu ernähren;
Sie griff es an mit heiterm Muth,
Sie zog sie auf in Zucht und Ehren,
Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.
Zu suchen ihren Unterhalt
Entließ sie segnend ihre Lieben,
So stand sie nun allein und alt,
Ihr war ihr heit'rer Muth geblieben.
Sie hat gespart und hat gesonnen
Und Flachs gekauft und Nachts gewacht,
Den Flachs zu feinem Garn gesponnen
Das Garn dem Weber hingebracht;
Der hat's gewebt zu Leinewand;
Die Scheere brauchte sie, die Nadel,
Und nähte sich mit eig'ner Hand
Ihr Sterbehemde sonder Tadel.
Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es,
Verwahrt's im Schrein am Ehrenplatz;
Es ist ihr Erstes und ihr Letztes,
Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.
Sie legt es an, des Herren Wort
Am Sonntag früh sich einzuprägen,
Dann legt sie's wohlgefällig fort,
Bis sie darin zur Ruh' sie legen.
Und ich, an meinem Abend, wollte,
Ich hätte, diesem Weibe gleich,
Erfüllt, was ich erfüllen sollte
In meinen Grenzen und Bereich;
Ich wollt', ich hätte so gewußt
Am Kelch des Lebens mich zu laben,
Und könnt' am Ende gleiche Lust
An meinem Sterbehemde haben.
Das war nun das letzte Gedicht in dieser Reihe. Die ganz langen Dinger habe ich euch erspart und zukünftig passe ich besser auf, wenn mir jemand was von "beliebt" erzählt.
Reset the World!
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Echt jetzt, schon Schluss? Aber es ist doch noch gar nicht der 24. 12... Vielen lieben Dank für die Heidenarbeit, Sirius! So habe ich die Flachstellen der deutschen Lyrik näher kennengelernt.
Bitte diesen Faden nicht löschen, weil da sind noch ein paar von mit unkommentierte Gedichte dabei. Falls ich mal schlechte Laune habe und sie irgendwo lassen muss. Na ja, ein paar schöne Sachen waren ja doch dabei.
Wie tickt also der Deutsche-Gedichte-Anthologie-Käufer und -Leser, der "Bildungsbürger", der den ganzen Kanon mittelmäßiger, unzeitgemäßer Gedichte immer parat haben möchte? Er denkt an Gestern, die gute alte Zeit, ist unpolitisch, vermisst die Nähe zur Natur, mag Brunnen und Glocken und weinende, unmündige Frauen, Rittersagen, Bäume, Blätter, Müßiggang, Alleswirdgut.
Er tickt definitiv nicht ganz richtig. Schon gut, dass das sogenannte Bildungsbürgertum ausstirbt, wie in der Verlagsbranche immer gern beweint wird.
(Könnte man einen Faden machen mit beliebten internationalen, ins Deutsche übertragenen Gedichten? Nur, falls du mal Langeweile haben solltest, Sirius... Oh wär das chic: Charles Bukowski, Pablo Neruda etc...)
LG
Jörn
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Ja, ich glaube, den Faden könnte man machen, wenn ich bloß mehr Zeit für das Forum hätte. Aber ein jeder kann zu dem Faden etwas beitragen. Morgen bin ich außer Haus, aber vielleicht schaffe ich es, am Abend etwas von Bukowski reinzustellen.
Sirius
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