Zitat von Sirius
Danke, Jonny!
Rainer Maria Rilke
Herbsttag
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Mann, was schimpf ich immer über Rilke. Das liegt wohl daran, dass ich mir vor Jahren einen kompletten Rilke-Band ohne Pause angetan habe, Spätfolgen. Das war dann wohl doch zuviel. Merke: Gedichtbände an sich (auch Anthologien!) sollte man nicht lesen wie einen Roman. Das ist das zweite Rilke-Gedicht, nach dem Panther, wo ich gerne sage: Richtig gut! Allein die Formulierung; "Der Sommer war sehr groß." ist ja fast schon Legende. Und auch "Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr." ist fast schon lieb gewonnen. Doch, Rainer Maria, warst schon ein Guter. Aber: Bauen muss man nicht, man kann sich auch des Winters bei Freunden einmieten, in gut geheizten Zimmern.Wein saufen und sich gegenseitig Rilke vorlesen.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Karl August Graf von Platen Hallermund (Platen-Hallermünde)
Der Pilgrim vor St. Just
1819
Nacht ist's und Stürme sausen für und für,
Hispanische Mönche, schließt mir auf die Tür!
Laßt hier mich ruhn, bis Glockenton mich weckt,
Der zum Gebet euch in die Kirche schreckt!
Bereitet mir was euer Haus vermag,
Ein Ordenskleid und einen Sarkophag!
Gönnt mir die kleine Zelle, weiht mich ein,
Mehr als die Hälfte dieser Welt war mein.
Das Haupt, das nun der Schere sich bequemt,
Mit mancher Krone ward's bediademt.
Die Schulter, die der Kutte nun sich bückt,
Hat kaiserlicher Hermelin geschmückt.
Nun bin ich vor dem Tod den Toten gleich.
Und fall in Trümmer, wie das alte Reich.
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Es geht um die Abdankung Karls V., in dessen Reich die Sonne nie unterging, und seinen Rückzug ins Kloster von Yuste. Das musste ich natürlich googlen.
Ach ja: "Er lebte in einem kleinen, im italienischen Stil gehaltenen Palast, welcher für ihn direkt an das Kloster angrenzend erbaut worden war.... Auch wenn der Palast mit lediglich acht Zimmern relativ bescheiden ist, hat es dem Privatier nicht an Komfort gemangelt: Eine rund sechzigköpfige Dienerschaft kümmerte sich um den abgedankten Kaiser in seinem Alterswohnsitz."
So lässt sich's schön in Trümmer fallen. So viel zu Dichtung und Wahrheit.
Vor Gott und dem Schnitter sind wir alle gleich. Das ist das Einzige, was ich aus dem Gedicht ziehen kann. Gähn (fauchender Lurch). Völlig belangloses Gedicht, das keinen Ex-Kaiser hinter dem Ofen hevorlocken sollte. Aber das Wort BEDIADEMT ist lustig.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Danke, weegee, für die vielen Infos! Das ist wirklich interessant.
Sirius
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Friedrich Schiller
Nänie
Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter bezwinget,
Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus.
Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher,
Und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk.
Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde,
Die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt.
Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.
Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,
Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten, ist herrlich,
Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.
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Der Asra
Heinrich Heine (1797-1856)
Täglich ging die wunderschöne
Sultantochter auf und nieder
um die Abendzeit am Springbrunn,
wo die weißen Wasser plätschern.
Täglich stand der junge Sklave
um die Abendzeit am Springbrunn,
wo die weißen Wasser plätschern,
täglich ward er bleich und bleicher.
Eines Abends trat die Fürstin
auf ihn zu mit raschen Worten:
»Deinen Namen will ich wissen,
deine Heimath, deine Sippschaft.«
Und der Sklave sprach: »Ich heiße Mohamet
und bin aus Yemen,
und mein Stamm sind jene Asra,
welche sterben, wenn sie lieben.
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Heine mag ich irgendwie. Und auch das Gedicht. Hoch romantisch natürlich, aber irgendwie NICHT kitschig. Zurecht in der Auswahl.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Zitat von Sirius
Friedrich Schiller
Nänie
Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter bezwinget,
Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus.
Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher,
Und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk.
Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde,
Die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt.
Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.
Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,
Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten, ist herrlich,
Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.
Oh, ja, Friedrich: "Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab." oder, um mit Kurt Cobain zu sprechen: "It`s better to burn out than to fade away." Oder: Immer wieder gegen die Wand, aber wenigstens ist man gerannt. Und Friedrich Schiller, der hat echt gebrannt.
Jörn
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Rainer Maria Rilke
Liebeslied
Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt,wenn deineTiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Spieler hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
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Wie rafft ich mich auf in der Nacht
August von Platen
Wie rafft ich mich auf in der Nacht, in der Nacht,
Und fühlte mich fürder gezogen,
Die Gassen verließ ich, vom Wächter bewacht,
Durchwandelte sacht
In der Nacht, in der Nacht,
Das Tor mit dem gotischen Bogen.
Der Mühlbach rauschte durch felsigen Schacht,
Ich lehnte mich über die Brücke,
Tief unter mir nahm ich der Wogen in Acht,
Die wallten so sacht
In der Nacht, in der Nacht,
Doch wallte nicht Eine zurücke.
Es drehte sich oben, unzählig entfacht,
Melodischer Wandel der Sterne,
Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht,
Sie funkelten sacht
In der Nacht, in der Nacht,
Durch täuschend entlegene Ferne.
Ich blickte hinauf in der Nacht, in der Nacht,
Ich blickte hinunter aufs neue:
O wehe, wie hast du die Tage verbracht!
Nun stille du sacht
In der Nacht, in der Nacht,
Im pochenden Herzen die Reue!
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Wandrers Nachtlied
Johann Wolfgang von Goethe
Der du von dem Himmel bist,
Alle Freud und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest;
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all die Qual und Lust?
Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!
Für die 1789 bei Göschen erschienene Ausgabe seiner Werke änderte Goethe den zweiten und sechsten Vers, indem er „Alle Freud und Schmerzen“ durch „Alles Leid und Schmerzen“ und „all die Qual und Lust“ durch „all der Schmerz und Lust“ ersetzte, was manchem ungewöhnlich und nicht unbedingt regelkonform erscheint:
Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest;
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Lust?
Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!
(Das andere Gedicht mit „Über allen Gipfeln..“ heißt „Ein Gleiches“)
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Eduard Mörike
Er ist's
Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
- Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab' ich vernommen!
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Das zerbrochene Ringlein
Joseph von Eichendorff
In einem kühlen Grunde
Da geht ein Mühlenrad,
Mein Liebste ist verschwunden,
Die dort gewohnet hat.
Sie hat mir Treu versprochen,
Gab mir ein'n Ring dabei,
Sie hat die Treu gebrochen,
Mein Ringlein sprang entzwei.
Ich möcht als Spielmann reisen
Weit in die Welt hinaus,
Und singen meine Weisen,
Und gehn von Haus zu Haus.
Ich möcht als Reiter fliegen
Wohl in die blutge Schlacht,
Um stille Feuer liegen
Im Feld bei dunkler Nacht.
Hör ich das Mühlrad gehen:
Ich weiß nicht, was ich will –
Ich möcht am liebsten sterben,
Da wärs auf einmal still!
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Johann Wolfgang von Goethe
(1771, Erstdruck 1789)
Heidenröslein
Sah ein Knab ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell, es nah zu sehn,
Sah's mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: Ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: Ich steche dich,
Dass du ewig denkst an mich,
Und ich will's nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach
's Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihm doch kein Weh und Ach,
Musst' es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
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Zitat von Sirius
Das zerbrochene Ringlein
Joseph von Eichendorff
In einem kühlen Grunde
Da geht ein Mühlenrad,
Mein Liebste ist verschwunden,
Die dort gewohnet hat....
Immer dieses Rumgeheule bei den Romantikern. Jetzt fangen auch noch die Männer an zu heulen, weil Sie EINMAL verarscht worden sind. Er könnte die Müllerstochter (oder Mutter? oder Großmutter?) ja auch suchen gehen. Aber DESWEGEN gleich freiwillig als Fremdenlegionär in den Algerienkrieg ziehen (Hallo, BABS!)...
Nicht immer nur rumheulen, denn: "Schönen Kindern von der Liebe singen, ist das Amt der Poesie!"
Jörn
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