Georg Trakl
Ein Winterabend
Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Land die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.
Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blüht der Baum der Gnaden
Aus der Erde kühlem Saft.
Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinerte die Schwelle.
Da erglänzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein.
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Matthias Claudius
Abendlied
Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.
Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.
Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!
Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!
So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!
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Johann Wolfgang von Goethe
Der Zauberlehrling
Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort' und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu' ich Wunder auch.
Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe,
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen!
Bist schon lange Knecht gewesen;
Nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
Oben sei ein Kopf!
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf!
Walle! walle
Manche Strecke,
Daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße.
Seht, er läuft zum Ufer nieder;
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt!
Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! -
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!
Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.
Nein, nicht länger
Kann ich's lassen;
Will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!
O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch wieder still!
Willst's am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen,
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten.
Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich atme frei!
Wehe! wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
Und sie laufen! Naß und nässer
Wird's im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! -
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd ich nun nicht los.
"In die Ecke,
Besen! Besen!
Seid's gewesen.
Denn als Geister
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke
Erst hervor der alte Meister."
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Joseph von Eichendorff
Sehnsucht
Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab' ich mir heimlich gedacht:
Ach wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die über'm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht,
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. -
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Heinrich Heine
Die Grenadiere
Nach Frankreich zogen zwei Grenadier’,
Die waren in Russland gefangen.
Und als sie kamen ins deutsche Quartier,
Sie ließen die Köpfe hangen.
Da hörten sie beide die traurige Mär:
Dass Frankreich verlorengegangen,
Besiegt und zerschlagen das tapfere Heer, –
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.
Da weinten zusammen die Grenadier’
Wohl ob der kläglichen Kunde.
Der eine sprach: Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde!
Der andre sprach: Das Lied ist aus,
Auch ich möcht mit dir sterben,
Doch hab’ ich Weib und Kind zu Haus,
Die ohne mich verderben.
Was schert mich Weib, was schert mich Kind?
Ich trage weit bess’res Verlangen;
Lass sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind, –
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!
Gewähr’ mir, Bruder, eine Bitt’:
Wenn ich jetzt sterben werde,
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab’ mich in Frankreichs Erde.
Das Ehrenkreuz am rothen Band
Sollst du aufs Herz mir legen;
Die Flinte gib mir in die Hand,
Und gürt’ mir um den Degen.
So will ich liegen und horchen still
Wie eine Schildwacht, im Grabe,
Bis einst ich höre Kanonengebrüll
Und wiehernder Rosse Getrabe.
Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig’ ich gewaffnet hervor aus dem Grab, –
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.
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Johann Wolfgang von Goethe
Der König in Thule
Es war ein König in Thule,
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber,
Er leert’ ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.
Und als er kam zu sterben,
Zählt’ er seine Städt’ im Reich,
Gönnt’ alles seinen Erben,
Den Becher nicht zugleich.
Er saß bei’m Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale,
Dort auf dem Schloß am Meer.
Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensgluth,
Und warf den heiligen Becher
Hinunter in die Fluth.
Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer,
Die Augen thäten ihm sinken,
Trank nie einen Tropfen mehr.
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Sonett Nr. 19
Nur eines möcht ich nicht: dass du mich fliehst.
Ich will dich hören, selbst wenn du nur klagst.
Denn wenn du taub wärst, bräucht ich, was du sagst
Und wenn du stumm wärst, bräucht ich was du siehst
Und wenn du blind wärst, möcht ich dich doch sehn.
Du bist mir beigesellt als meine Wacht:
Der lange Weg ist noch nicht halb verbracht
Bedenk das Dunkel, in dem wir noch stehn!
So gilt kein "Laß mich, denn ich bin verwundet!"
So gilt kein "Irgendwo" und nur ein "Hier"
Der Dienst wird nicht gestrichen, nur gestundet.
Du weißt es: wer gebraucht wird, ist nicht frei.
Ich aber brauche dich, wie's immer sei
Ich sage ich und könnt auch sagen wir.
[Bertolt Brecht]
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Um Mitternacht
Eduard Mörike
Gelassen stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand,
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn;
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Das uralt alte Schlummerlied,
Sie achtet's nicht, sie ist es müd;
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flücht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
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Zitat von Sirius
Matthias Claudius
Abendlied
Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.
Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.
Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!
Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!
So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!
Sprachlich ein Kinderabendgebet. Wird das heute eigentlich noch gemacht? Kindern vor dem Schlafen noch Angst vor Gott gemacht? INHALTLICH hat er ja recht, der Claudius: BACK TO THE ROOTS! Lasst uns wieder zu Kindern werden. Da brauchen wir aber keinen Gott für. UND: das ist natürlich der Herzenswunsch eines jeden rechtschaffenden, schwer raffenden deutschen Bürgers: "Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen! Das mit dem Nachbar bitte streichen."
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Zitat von Sirius
Georg Trakl
Ein Winterabend
Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Land die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.
Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blüht der Baum der Gnaden
Aus der Erde kühlem Saft.
Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinerte die Schwelle.
Da erglänzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein.
Kannte ich gar nicht. Wenn man GRODEK zum Vergleich nimmt, ist das hier sehr brav. Für mich zu brav. Da steht dann Brot und Wein auf dem Tisch. Abendmahl. Gott gibt dir Trost auf deinem schweren Lebensweg. Könnte man so lesen. Aber: "Land die Abendglocke läutet" gefällt mir.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Zitat von Sirius
Johann Wolfgang von Goethe
Der Zauberlehrling
Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort' und Werke
Merkt ich und den Brauch,
Und mit Geistesstärke
Tu' ich Wunder auch....
."
Natürlich, Sirius, natürlich auch das. Wie könnte es anders sein. Ich habe dann immer die Verfilmung mit Mickey Mouse vor Augen. Die Geister, die ich rief. Mann, was weiß Goethe schon von meinen Geistern.... AAABER: Die Botschaft, die ist hochklug und sowas von aktuell. Macht braucht Reife. Macht braucht Erfahrung. Sonst ist sie ungezügelt. Macht über sich selbst, aber auch politische Macht über andere. So verstehe ich es jedenfalls jetzt, im vorgerückten Alter. Als Schüler habe ich nur Besen verstanden. Vielleicht braucht auch manch Lyrik Reife und Erfahrung
Gar nicht so dumm von unser aller Dichterfürsten. SCHILLER fand ich schon immer toller, glühender. Das Einzige, was mich von Goethe immer schon begeistert hat, was ich schon immer richtig GEIL fand: DER WERTHER. Ich hab das mal als Theaterstück gesehen, ein Einpersonenstück, der Schauspieler hat tatsächlich das RECLAM-Heftchen gezückt...
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Ach, weegee, ich danke dir herzlich für deine vielen Kommentare zu diesen wenig erbaulichen Gedichten.
Der Knabe im Moor
Annette von Droste-Hülshoff
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn es aus der Spalte zischt und singt!-
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn der Röhrich knistert im Hauche!
Fest hält die Fiebel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind-
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.
Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnenlenor',
Die den Haspel dreht im Geröhre!
Voran, voran! Nur immer im Lauf,
Voran, als woll es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen,
Wie eine gespenstige Melodei;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!
Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
"Ho, ho, meine arme Seele!"
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
Wär nicht Schutzengel in seiner Näh,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwele.
Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war's fürchterlich,
O schaurig war's in der Heide.
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Zitat von Sirius
Joseph von Eichendorff
Sehnsucht
Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab' ich mir heimlich gedacht:
Ach wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die über'm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht,
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. -
Puuuuh. Tut mir leid, Eichendorff, du gehörst echt auf den Lyrik-Friedhof, hinterste Ecke, verscharrt. Von mir aus mit einem kleinen Denkmal drauf. Du sagst nichts und was du sagst: gibt es schon lange nicht mehr, kein Posthorn, nur Hermes-LKWs, die Dinge, die die Welt nicht braucht, von A nach B karren, keine lauschenden Mädchen am Fenster, nur solche, die völlig zugedröhnt überlegen, ob sie springen sollen, weil die allerallerbeste Freundin getwittert hat: "Du Schlampe, isch schwöre." Keine Paläste im Mondschein, nur Bankzentralen, obwohl das vollverglaste Nord-LB-Gebäude in Hannoi bestimmt total schön glitzert bei Vollmond. Aber: junge, wandernde Gesellen gibt es noch, besoffen, am Vatertag. Was DIE singen, willst du nicht hören, Eichendorff. Isch schwöre.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Zitat von Sirius
Heinrich Heine
Die Grenadiere
Nach Frankreich zogen zwei Grenadier’,
Die waren in Russland gefangen.
Und als sie kamen ins deutsche Quartier,
Sie ließen die Köpfe hangen.....
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Was, um Gottes Willen, ist DAS denn? Mon dieu! Heine hat echt tolle Sachen geschrieben, aber DAS ist einfach nur furchtbar. Und eklig. Ja, klar. Ich trag deinen gammelnden Leichnam durch halb Europa. Hallo, das STINKT? Das LÖST SICH AUF? Da LÖST SICH FLEISCH AB? DA SIND WÜRMER DRAN? Verbrennen wär eine vernünftige Lösung. Ist einfacher zu transportieren, aber ist auch schlecht auferstehen, so als Asche.
So ein militaristischer Scheiß. Napoleons Image als Freiheitsbringer, war, wie ich meine, zur Zeit des Abzugs aus Russland, für die deutsche (französisch verwaltete) Bevölkerung schon lang passé. Halt ein anderer Ausbeuter. Und: Es sind genug Deutsche in Russland im napoleonischen Heer krepiert. Gerade beim Rückzug:erfroren, verhungert, verfolgt von Kosaken. Wenige Tausend Franzosen haben es irgendwie nach Hause geschafft. Hat das Heine nicht gewusst? Für all das Leid bedankt sich der treue Soldat noch mit, ja eben: Trotteltreue über den Tod hinaus? Ach, ja: 100 Jahre später konnte sich der trotteltreue Deutsche dann ja auch freuen, dass der eigene Kaiser (und der letzte) über sein Grab stampft und ihn weckt.
Das soll mir einer mal erklären: Wieso hat heute dieses Gedicht noch irgendeinen Stellenwert? Kapier ich nicht...
Jörn
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