Sprachliches Tingeltangel
Unser Autor feiert den "Welttag der Poesie" mit Empfehlungen der spannenden Berliner Lyrik-Reihe Kookbooks. Die Kolumne "Fundstücke".
PETER VON BECKER
Zum Frühlingsanfang gab’s gerade wieder den „Welttag der Poesie“, ihn hat die Unesco zu Beginn dieses Jahrtausends kreiert. Und weil wir so mittenmang in den nervigen Gendersprachdebatten sind, könnte ein unprosaischer Blickwechsel vielleicht entspannen. Im Gedicht nämlich kann der Mond auch weiblich und die Sonne männlich leuchten, es gibt da nie den Eindeutigkeitsschein des poetisch oder politisch Korrekten
Dichtung heißt Verdichtung. Verwandlung. Verrückung. Aus Orlando, das hat Virginia Woolf längst gewusst und Shakespeare sowieso, kann jederzeit Orlanda werden, und wer mit dem Kopf unbedingt durch die Wand will, darf es ebenso umgekehrt versuchen und mit der Wand einfach gegen den Kopf rennen. Mal sehen, wer oder was dann hohl klingt.
Ja, Poesie und Fantasie zeigen an, wie schnell die Vatermuttersprache über das allzu Selbstverständliche hinaus zur kunstvoll gekonnten Fremdsprache werden kann – weil Worte und Sätze aus allen Literaturen und Kulturen seit babylonischen Zeiten sich mischen, verspinnen, befruchten. Ausdrücklich beweist dies mit ihrem jüngsten, schlanken, dennoch reichhaltigen Gedichtband Uljana Wolf: „Meine schönste Lengevitch“, erschienen in der auch sonst höchst empfehlenswerten Lyrikreihe des Berliner Verlags Kookbooks (86 Seiten, 19, 90 Euro).
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https://www.tagesspiegel.de/kultur/berli...l/24137514.html
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