Und schlafe schön
Es war einmal,
ist immer noch,
ein Berg sehr hoch,
ein tiefes Loch,
dort oben,
unten, schwamm,
nein, lief
ein Tier,
ein Mensch,
nicht Frau,
nicht Mann,
das alles
oder gar nichts kann.
Bestimmt,
vielleicht,
kennst du das Ding,
den Namen
oder auch den Sinn.
Sobald du wach
im Schlafe liegst,
da kommt er,
geht es,
bleibt sie stehen.
Nun, gute Nacht.
und schlafe schön.
Lisa Loviscach
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Flüstern aus dem Kinderzimmer
Halt mir meine Welt nicht klein,
hilf mir in die Schuhe rein,
schimpfe vor dem Schlafe nicht
und lösch noch nicht das Licht.
Streich mir nochmal übers Haar,
sag mir, dass ich artig war,
schau doch bitte unters Bett,
sag nicht, es ist schon so spät.
Grüß den Papa lieb von mir,
lächle nochmal an der Tür,
auch wenn ich ne fünf heut schrieb:
sag noch mal, ich hab dich lieb.
Sirius
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Das ist herzallerliebst, Sirius!
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Mein Lehrer
Als mein Vater
in Kurdistan
mich in eine Schule anmeldete,
sagte er: „Nehmen Sie ihn, verehrter Herr Lehrer,
seine Knochen gehören mir
und sein Fleisch Ihnen.“
Als ich später
in der Klasse lachte,
schlug er mich.
Als ich auf dem Schulhof rannte,
schlug er mich.
Als ich kurdisch sprach,
schlug er mich.
Mein türkischer Lehrer.
Nazif Telek
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Fremder Mann
Einmal im Monat kommt mein Vater,
hilt mich ab, wir gehen in den Zoo.
Er kauft mir Schoko und Cola und Tierfutter
und denkt, ich bin froh.
Bei den Affen bleiben wir lange stehen.
Mein Vater schaut auf die Uhr:
Wir sollten jetzt weitergehen.
Im Gasthof krieg ich wie immer Pizza und Eis.
Wie geht’s in der Schule, fragt er,
hier hast du zehn Mark für Fleiß.
Einen Sonntag im Monat hat mein Vater Zeit,
einen ganzen Tag lang sind wir zu zweit,
manchmal kommt er mir vor wie ein fremder Mann,
und ich trau mich nicht zu sagen,
dass ich die Mathe nicht kann.
Waltraud Zehner
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Vielleicht
Vielleicht hast du morgen ein Königreich,
vielleicht und vielleicht auch nicht.
Und wenn du es nicht hat, weine nicht gleich,
du hast ja dieses Gedicht.
Frantz Wittkamp
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Liebe
Wir haben eine Neue in der Klasse.
Manchmal lacht sie mich so an.
Dann wird mir immer ganz komisch.
Aber das Komische ist schön.
Es kribbelt überall,
und meine Ohren werden ganz warm.
Sie lacht wunderbar.
Ihr ganzes Gesicht lacht.
Der Mund lacht, die Augem lachen,
die Grübchen lachen.
Sogar die Nase lacht ein bißchen.
Jetzt kann ich sogar unseren Lehrer leiden.
Ich möchte nur wissen, woher das kommt.
Wolfgang Fischbach
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Vom Schweigen der Indianer
Indianer sind Menschen,
die sagen ihren Kindern nicht:
Jetzt sei mal endlich ruhig.
Oder: Halt den Mund,
du bist noch ein Kind!
(Dabei ist der Mund doch angewachsen,
wie soll man ihn halten?)
Sie machen ihren Kindern
Freude an der Stille.
Sie setzen sich hin und hören zu,
wenn nichts laut wird..
Sie sehen, wo es nichts zu s ehen gibt,
und hören, wo es nichts zu hören gibt.
Vieles hören sie dann wie neu..
Wie in einem Traum
hören sie die Worte des Wassers,
die Gespräche der Fische
und das Wachsen des Grases.
Und sie hören in der Stille,
wie alles miteinander verbunden ist:
Der Mensch und die Erde..
das Sandkorn und der Stern..
der Wind und das Gras..
der Himmel und der Mensch.
Fredrik Vahle
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Schularbeiten
Der Fortschritt
hat keine Lust, sich
zu kümmern um
mir. Und wat mir anjeht, habick
keene Lust, mir
um den Fortschritt
zu kümmern. Denn
unsereins
war ja
als Mensch
wohl zuerst da.
So, mein Kind, das
schreibste
in dein Schulheft
rein.
Günter Bruno Fuchs
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März
Es kommt eine Zeit,
da nimmts ein böses Ende
mit dem Schneemann.
Er verliert seinen schwarzen Hut,
er verliert seine rote Nase,
und der Besen
fällt ihm aus der Hand.
Kleiner wird er von Tag zu Tag.
Neben ihm wächst ein Grün
und noch ein Grün
und noch ein Gün.
Die Sonne treibt
Vögel vor sich her.
Die wünschen dem Schneemann
eine gute Reise.
Elisabeth Borchers
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Abwesenheitslied
Die Geliebte ist weggefahren
Ich stelle die Uhren nicht.
Die Uhren sind stehengeblieben.
Er wird kommen und die Uhen aufziehn
Er wird kommen und sagen: Jetzt
Musst du Zeit für mich haben.
Er wird die Uhren stellen und sagen:
Jetzt habe ich Zeit für dich.
Karl Mickel
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Traumbuch
Ich wollte schon immer ein Vogel sein.
Gestern im Traum bin ich einer gewesen.
Ich saß im höchsten Buchenbaum
und habe – was sonst – gelesen.
Es war ein Buch nach Vogelart,
mal federleicht, mal flügelschwer.
Ich flog mit ihm im Trauum davon
und wollte immer mehr!
Als dann der Traum zu Ende war,
bin ich kein Vogel mehr gewesen.
Geflogen bin ich immer noch.
Ich hab einfach weitergelesen.
Inge Meyer-Dietrich
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Einem Kind
Wirst dir einige Figuren zulegen
Hans im Glück
zum Beispiel
Mann im Mond
St. Nikolaus
zum Beispiel
und lernen
dass die Stunde sechzig Minuten hat
kurze und lange
dass zwei mal zwei vier ist
und vier viel oder wenig
dass schon hässlich
und hässlich
schön ist
und
dass historisches Gelände
etwas an sich hat
Zuweilen
sommers oder so
begegnet dir in einem Duft von Blumen
einiges dessen
dass man Leben nennt
Und du stellst fest
dass
was du feststellst
etwas an sich hat
Gerhard Meyer
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